Arbeitsplätze für die Mittelklasse!

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Von Euronews
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Die Prognosen für das weltweite Wirtschaftswachstum sind günstig. Doch was muss in der globalen Ökonomie verändert werden? Einsichten aus Davos...

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Die Elite aus Wirtschaft und Politik trifft sich dieser Tage beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Zeichen weltweiten Wirtschaftswachstums, aber auch konfrontiert mit vielen Herausforderungen. Welche Risiken drohen, welche Probleme müssen in den Griff bekommen werden?

3,9 Prozent mehr Wachstum weltweit 2018

Der Internationale Währungsfonds hat für dieses Jahr eine weltweite Wachstumsrate von 3,9 Prozent vorausgesagt. Das Risiko einer neuen Rezession wird als gering eingeschätzt, die Volkswirtschaften erholen sich endgültig von der Krise, die vor zehn Jahren begann. Nariman Behravesh, Chefökonom von IHS Inc.: “Ich denke, auf sich selbst gestellt läuft die Weltwirtschaft ganz gut. Der Punkt sind aus meiner Sicht Irrtümer in der Politik, sei es Protektionismus auf Seiten der USA, oder Zentralbanken, die Panik bekommen und zu sehr auf die Bremse treten, oder China, das seinen Schuldenabbau schlecht managt. Diese Dinge könnten zum Hindernis werden. Ansonsten kann die Wirtschaft leicht noch ein oder zwei Jahre mit derselben Rate wachsen wie zuvor.”

Das Wachstum könnte Lohnsteigerungen und mehr Jobs mit sich bringen und helfen, Dauer-Probleme der Finanzkrise wie faule Kredite oder Haushaltsdefizite besser zu bewältigen. Doch es gibt auch Sorgen vor geopolitischer Instabilität, vor neuen Kriegen.

‘Wachstum’ heißt nicht nur ‘größeres Bruttoinlandsprodukt’

Wir sprachen mit Lee Howell, dem geschäftsführenden Direktor des Weltwirtschaftsforums, über die Aussichten.

Isabelle Kumar, euronews:
“Wir haben also zurzeit ein positives Bild bei der Wirtschaft, aber auch einige Kernprobleme, die weltweit angegangen werden müssen. Fassen Sie uns diese doch bitte mal kurz zusammen.”

Lee Howell:
“Es scheint, dass das Wachstum zurückkommt, zumindest bis zu Niveaus wie vor der Finanzkrise. Und etliche haben offiziell gesagt, zum Beispiel IWF-Chefin Christine Lagarde, ‘wenn die Sonne scheint, dann sollte man das Dach reparieren’. Wir brauchen strukturell eine Wirtschaft, die mehr Menschen miteinbezieht und nachhaltiger ist. Darüber wurde in der Vergangenheit wenig geredet. Miteinbeziehen heißt nicht nur mehr Bruttosozialprodukt, sondern dass sich das auf die Haushaltseinkommen auswirkt, damit mehr Menschen in die Mittelklasse aufsteigen. Zweitens, bei der Nachhaltigkeit, sollten wir angesichts des Klimawandels nicht noch mehr menschengemachte Faktoren schaffen: Wie halten wir den Planeten unter einer Erwärmung von zwei Grad? Das ist entmutigend und erfordert strukturelle Veränderungen – das ist kein zyklischer Vorgang!”

euronews:
“Das Weltwirtschaftsforum sucht auch nach neuen Modellen, die man testen kann, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erzielen. Können Sie uns erklären, wie diese Modelle funktionieren?”

Lee Howell:
“Die einfachste Weise, um Modelle zu verstehen, ist die Einsicht, dass man prinzipiell nicht steuern kann, was man nicht misst. Also muss man die Messung des Erfolgs ändern. Wenn das Ziel Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist, redet man da auch über die Schaffung neuer Jobs? Man muss erst einmal die Indikatoren ändern. Heute wissen wir, dass Einkommensunterschiede ein Anliegen sind und eine strukturelle Herausforderung. Man muss dies als ein Maß ansehen und sich fragen, wie man da etwas bewegen kann.
Ähnlich sieht es bei der Geschlechterfrage aus, hinsichtlich Gleichheit, Bezahlung, aber auch Teilhabe an der Wirtschaft: Wenn man das nicht zu messen anfängt, wird man nicht sehen können, ob es Fortschritte gibt. Aber man muss darüber reden, was man messen will und mit welchem Ziel.”

euronews:
“Sie haben gerade die Ungleichheit erwähnt. In den Wachstumsprognosen für dieses Jahr liegen auch einige große Risiken. Was sind Ihrer Meinung nach die drei Hauptrisiken, die die Wirtschaft wieder ins Taumeln bringen könnten?”

Lee Howell:
“Das Risiko, dem wir uns wirklich zuwenden müssen, ist das geopolitische Risiko. Denn all das wird unter Frieden und Stabilität vorausgesagt, die uns Wohlstand und Wachstum ermöglichen. Aber heutzutage können wir darauf nicht bauen.
Wir hören jeden Tag von der potenziellen Bedrohung durch die Weiterverbreitung von Atomwaffen. Weltweit schwelen Konflikte, in die die großen Mächte der jeweiligen Region hineingezogen werden können. Deshalb halte ich die geopolitische Frage für sehr real. Tatsächlich wird sie meiner Meinung nach nicht unsere Erholung beeinträchtigen. Das Zweite ist eine Frage des Vertrauens, ein Wirtschaftswachstum, das Arbeitsplätze bringt, und zwar solche, die die Mittelklasse stärken. Sonst kann das politisch nach hinten losgehen, denn die Bevölkerung hat in den meisten Volkswirtschaften auch etwas zu sagen: In den meisten Volkswirtschaften können die Wähler die Wirtschaftspolitik verändern. Das dritte Risiko ist der Protektionismus. Man muss sich unbedingt um die kümmern, die die Hauptlast der Strukturanpassungen hin zu freiem, offenen Handel tragen mussten. Gleichzeitig müssen wir aber darauf schauen, was man freisetzt, und was auch unbeabsichtigte Folgen haben könnte.”

Denkanstöße aus Davos: Vom Zuhör- in den Handlungsmodus

euronews:
“Was soll in diesem Jahr in Davos erreicht werden, wenn es nach Ihren Wünschen geht? Sie haben eine erstaunliche Gästeliste zusammengestellt – womit möchten Sie dabei herauskommen?”

Lee Howell:
“Zuallererst einmal ist das Thema ‘eine gemeinsame Vision in einer gespaltenen Welt’. Ich denke, wir sollten ganz freimütig darüber reden, wo diese Brüche liegen und anerkennen, dass wir da etwas tun müssen. Sagen wir so: Man kann man nicht ein Rezept schreiben, ohne eine ehrliche Diagnose gestellt zu haben. Wir sollten also sicherstellen, dass jeder angehört wird bei seiner Bestandsaufnahme zur Lage der Welt, damit bekommen wir eine klare Diagnose, und zweitens beginnen wir darüber nachzudenken, wo die Chancen liegen, und welche strukturelle Arbeit gemacht werden muss.
Wenn man die Arbeitskraft auf morgen vorbereiten will, da geht alles um die vierte industrielle Revolution. Und das fängt nicht unbedingt mit mir an, aber wirklich mit meinen Kindern. Man muss erkennen, welche Fähigkeiten sie unbedingt brauchen, und sicherstellen, dass das Arbeitsmarktsystem mit dem Bildungssystem zusammenpasst. Diese Art von Fragen bedürfen langer Gespräche.
Von den Fragen aus wendet man sich Zielen zu, und dann ergreifen die Bosse ihre Maßnahmen. Das Wichtigste ist dabei meiner Meinung nach, sie im Lern- und Zuhör-Modus zu halten. Und ich vertraue darauf, dass sie als Chefs ihrer Einrichtungen dann mit dieser Information in den Handlungsmodus übergehen.”

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