Polens Ministerpräsident Morawiecki: "Wir arbeiten an einer besseren Beziehung zur EU"

Polens Ministerpräsident Morawiecki: "Wir arbeiten an einer besseren Beziehung zur EU"
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Euronews hat mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki über die Beziehung seines Landes zu Europa und seine Vision für die Zukunft der Europäischen Union gesprochen.

WERBUNG

Der dritte Tag des Weltwirtschaftsgipfels in Davos stand ganz im Zeichen von Europa. Euronews sprach mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki über die Beziehung seines Landes zu Europa und seine Vision für die Zukunft der Europäischen Union.

Euronews: Herr Ministerpräsident, wir sind hier auf dem Weltwirtschaftsforum – Wie geht es der polnischen Wirtschaft? Wie ging es Polens Wirtschaft im vergangenen Jahr und wie ist die Progrnose für dieses Jahr?

Mateusz Morawiecki, polnischer Ministerpräsident: Vor 12 Monaten haben viele Broker- und Finanzinstitutionen tatsächlich vorhergesagt, dass es in Polen für 2017 ein Wachstum von 2 oder 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geben würde. Das tatsächliche Wachstum betrug 4,5 Prozent, also haben wir alle Erwartungen übertroffen.

Morawiecki: “Es ist gut, dass wir über die Risiken sprechen”

Euronews: Sie teilen also den Davos-Optimismus, der seit den Prognosen des Internationalen Währungsfonds am Montag herrscht? Mateusz Morawiecki: Ja und nein. Ich teile ihn hinsichtlich einiger Aspekte und in Bezug auf Polen, natürlich, weil es viel Optimismus im Hinblick auf unsere Wirtschaft – und diesen Teil der Welt gibt. Aber, wie im Zauberberg von Thomas Mann beschrieben, waren sich auch schon vor hundert Jahren die Eliten, die ja auch hier in Davos versammelt sind, nicht der drohenden Gefahren bewusst. Es ist sehr gut, dass wir über die möglichen Risiken sprechen, die am Horizont auftauchen könnten.

Euronews: Welche sind die Risiken, die sie gerade erwähnten?

Mateusz Morawiecki: Die Risiken bestehen in Ungleichheiten und Ungleichgewichten. Die Risiken bestehen in großen Überschüssen in einem Land wie China oder den nördlichen Ländern der Europäischen Union – Leistungs-, Handelsbilanzüberschüsse – und riesigen Defiziten in anderen Ländern. Das sind alles Risiken.

Morawiecki: “Ich möchte, dass Polen ein zuverlässiger Partner für die EU wird”

Euronews: Was denken Sie über die aktuellen Beziehungen zwischen Polen und der EU angesichts der jüngsten Turbulenzen, die wir miterlebt haben? Mateusz Morawiecki: Es hätte besser sein können. Wir arbeiten an einer besseren Beziehung zur EU. Ich möchte, dass Polen ein zuverlässiger Partner für die gesamte Europäische Union wird. Heute bringen wir viele neue Werte – frischen Wind – in die EU.

Euronews: Sehen Sie in der EU einen verlässlichen Partner?

Mateusz Morawiecki: Ja. Ein Zusammenschluss von 28 verschiedenen Ländern, 28 verschiedenen Interessen. Ich lege meiner Philosophie keine Utopien zugrunde. Ich bin Realist und weiß, dass diese Interessen manchmal widersprüchlich sind. Ich weiß, dass wir besser erklären müssen, warum wir diese oder jene Reform machen.

Morawiecki: “Dialog mit der EU verstärken”

Euronews: Sie möchten den Dialog fortsetzen, um sicherzustellen, dass Sie richtig verstanden werden. Mateusz Morawiecki: Ich möchte den Dialog nicht nur fortsetzen, sondern ihn verstärken. Ich möchte ein Weißbuch zur Reform des Justizsystems vorlegen. Um zu erklären, warum die einzelnen Elemente der gesamten Reform nicht nur gut sind, sondern auch für ein besseres Justizsystem in Polen sorgen werden. Mit besser meine ich: unabhängiger, objektiver, zuverlässiger, effizienter und transparenter. Das ist sehr wichtig für mich, denn das Wirtschafts- und das Sozialsystem sind auf ein effizientes und unabhängiges Justizsystem angewiesen. Bisher ist das nicht der Fall. Unser Justizsystem stammte aus der post-kommunistischen Ära.

Euronews: Angela Merkel und Emmanuel Macron haben ihre Vision einer EU-Reform vorgestellt. Welche Vision haben Sie? Wie würden Sie die EU reformieren, damit sie ausgewogener ist und besser für alle Mitgliedsstaaten funktioniert?

Morawiecki: “Europäischen Mittelstand fördern”

Mateusz Morawiecki: *Wir in Europa brauchen mehr Wettbewerb. Wir müssen gegenüber China, Indien und den USA viel wettbewerbsfähiger sein. Alle Schumpeterischen Herausforderungen aus Zentraleuropa sollten bei unseren Freunden in Westeuropa willkommen sein. Anstatt sie wegzufächern und Schutzwälle zu errichten. Das ist ein Punkt, den ich betonen möchte. Der andere betrifft kleine- und mittelständische Unternehmen. Wir sollten eine viel bessere Plattform schaffen, damit sie frei innerhalb der EU agieren können, den sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, in Polen, aber auch in anderen Ländern wie Deutschland.*Ich möchte den deutschen Mittelstand fördern, Beziehungen zwischen polnischen und deutschen Unternehmen, oder österreichischen und niederländischen Firmen aufbauen. Das wäre sehr gut für unsere Firmen. Aber es gibt immer noch zu viel Bürokratie. Was die Vision für die EU anbelangt, so bestehen wir aus 28 souveränen Staaten. Wir müssen eine Einheit bilden und zugleich die Rechte eines jeden Einzelstaates respektieren. Ihm zugestehen, seinen Rechtsrahmen zu schaffen, ein eigenes Regulierungssystem, Justiz, Inneres, Flüchtlinge, Migration, alle relevanten Systeme, so wie sie es sich wünschen.

Euronews: Vielen Dank für das Gespräch.

Mateusz Morawiecki: Danke.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Polen verbietet schrittweise Sonntagsarbeit

"Europa zwischen Vision und Dilemma" - Euronews Diskussionsrunde in Davos

Polen - prima Klima für Start-Ups