Mário Centeno: "Portugal ist ein Erfolgsfall für Europa"

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Der Präsident der Eurogruppe sprach über die Vollendung der Bankenunion, über das Stärken von Vertrauen und die Wichtigkeit von Eigenverantwortung.

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Der portugiesische Finanzminister wurde bekannt dafür, dass er dazu beitrug, sein Land mit Hilfe der Troika vom “hässlichen Entlein” in einen “Schwan” zu verwandeln. Portugal weist jetzt eine der höchsten Wachstumsraten in der Europäischen Union auf. Seit dem 13. Januar ist Mário Centeno Präsident der Eurogruppe und verspricht, einen Konsens zur Reform der Eurozone zu schaffen. Wir sprachen mit ihm in Brüssel.

euronews:
“Herr Präsident der Eurogruppe, vielen Dank, dass Sie die Einladung von Euronews angenommen haben. Ist das Beispiel Portugal, und diese neue Haltung einer weniger restriktiven Sparsamkeit schon anerkannt, oder müssen Sie noch große Anstrengungen unternehmen, um “orthodoxere” Länder wie Holland, Finnland und Deutschland zu überzeugen?”

Mário Centeno, Präsident der Eurogruppe:
“Portugal ist ein Erfolgsfall in Europa, es wird von vielen meiner Ökonomenfreunde als ‘chouchou d’Europe’ bezeichnet. Das starke Wachstum, der Abbau der Arbeitslosigkeit, damit sind wir führend in Europa. Portugal hat sich immer dafür eingesetzt, die Normen zu respektieren, indem es die Anwendung dieser Regeln anders interpretiert hat. Auch das war neu, und hat uns noch mehr Aufmerksamkeit verschafft.”

euronews:
“Als Präsident der Eurogruppe haben Sie viel über die aktuellen Wahlen gesprochen: in Frankreich, in den Niederlanden. Jetzt gibt es die noch nicht gelöste Situation in Deutschland. Wenn es eine Große Koalition zwischen der Union und der SPD gibt und das Finanzministerium an Olaf Scholz vom linken Flügel der SPD geht, glauben Sie, dass das dazu beitragen wird, weniger Sparsamkeit durchzusetzen? Eine Vision, die auch vom französischen Präsidenten Macron getragen wird, der sich für mehr europäische Solidarität und mehr öffentliche Investitionen einsetzt?”

Mário Centeno, Präsident der Eurogruppe:
“Wir haben sehr konstruktiv mit der deutschen Regierung zusammengearbeitet, seit ich der Präsident der Eurogruppe bin. Die Wiederaufnahme des Prozesses zur Vollendung der Bankenunion ist sehr wichtig. Wir profitieren von der ausgezeichneten wirtschaftlichen Situation, in der sich alle Länder Europas derzeit befinden, und wir profitieren auch von den von Ihnen erwähnten Wahlperioden. Es gibt überhaupt keine Zweifel darüber, dass Deutschland auch in dieser neuen Phase in diesem Prozess Kompromisse eingehen wird.”

Reformen für die Sicherheit der EU-Bürger

euronews:
“Lassen Sie uns über die Reform der Eurozone sprechen, die zwei klare Prioritäten hat: die Vollendung der Bankenunion und die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Sind die Länder in der Bankenfrage wirklich bereit, die Risiken zu teilen und eine europäische Einlagensicherung zu schaffen, damit im Falle einer neuen Krise die Steuerzahler besser geschützt sind?”

Mário Centeno, Präsident der Eurogruppe:
“Die gegenwärtigen Reformen sind sehr wichtig. Sie garantieren allen europäischen Bürgern, dass – wenn es eine neuerliche Krise geben sollte – das europäische Finanzsystem vorbereitet und besser gerüstet ist. Dazu ist es notwendig, die Bankenunion zu vollenden und dafür zu sorgen, dass wir über alle Mittel, alle notwendigen Instrumente verfügen. Um in einer Union zu leben, ist es immer… – das wissen wir aus unserem täglichen Leben – ist es immer notwendig, das Vertrauen und die gegenseitigen Garantien, die man sich gegeben hat, zu stärken. Meiner Meinung nach ist es wichtig, einen Konsens über Institutionen und Lösungen zu finden, der den Wünschen und Ängsten entspricht, die wir gegenwärtig alle in Europa haben.”

We are experiencing the good side of the economic cycle. This happens not out of chance but out of work. Europarl_EN</a> economic dialogue w/ PEG</p>&mdash; Mário Centeno (mariofcenteno) 21. Februar 2018

euronews:
“Tatsächlich beklagen sich die kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Bürger weiterhin über die mangelnde Umsetzung all dessen in die reale Wirtschaft, wie z. B. mehr Kredite für die Unternehmer, die Verbesserung der Lebensqualität, die Schaffung von Arbeitsplätzen…”

Mário Centeno, Präsident der Eurogruppe:
“Ich möchte Ihnen einen Beispiel aus Portugal nennen, das es auch in anderen europäischen Ländern gibt. Kleine und mittlere Unternehmen haben derzeit eine Finanzierungslücke in Portugal, die – verglichen mit ähnlichen europäischen Unternehmen -, die niedrigste seit Beginn des Jahrhunderts ist. Das bedeutet, dass wir uns von einem sehr traumatischen Prozess, den wir während der Krise durchlebt haben, sehr gut erholt haben. Jetzt werden in Portugal kleine und mittlere Unternehmen und guten Investitionsvorhaben kurzfristig mit Zinssätzen von weniger als einem Prozent finanziert.”

Eigenverantwortung ist für Griechenland wichtig

euronews:
“Ich möchte auf den Fall Griechenland zu sprechen kommen, denn das ist ein Land, in dem die Situation immer noch sehr schwierig ist, in dem man noch etwas machen muss. Pierre Moscovici ist sehr optimistisch, Sie als Präsident der Eurogruppe scheinen es auch zu sein. Wird Griechenland in der Lage sein, ab dem Sommer keine Hilfe mehr zu benötigen?”

Mário Centeno, Präsident der Eurogruppe:
“Wir sind sehr optimistisch, dass das Ganze erfolgreich ausgehen wird und werden es sicherlich auch in den kommenden Monaten bleiben. Aber momentan ist es wichtiger, der griechischen Regierung, den griechischen Behörden und der Gesellschaft das Gefühl der Eigenverantwortung für ihre Zukunft zu geben. Und dann ebenso – und ich messe dieser Frage große Bedeutung bei – während des gesamten Übergangs zwischen Wahlzyklen und Regierungszeiten in Griechenland. Es ist sehr wichtig, dass die nächsten Regierungen das Gefühl der Eigenverantwortung für den gesamten Prozess behalten, denn es ist ein sehr schwieriger Prozess.”

#Eurogroup will be looking into how to ease #Greece's return to sustainable market financing. Government’s own long-term growth strategy will be crucial

— Mário Centeno (@mariofcenteno) 21. Februar 2018

euronews:
“Lassen Sie uns abschließend noch über den Haushalt sprechen. Die Europäische Kommission wird Vorschläge für den EU-Haushalt für den Zeitraum von 2020 bis 2026 vorlegen, wenn Großbritannien nicht mehr zu den Hauptbeitragszahlern gehört. Die portugiesische Regierung hat drei neue europäische Steuern vorgeschlagen: im Energiesektor, für Unternehmen, die viel verschmutzen, für internationale Finanztransaktionen und für digitale Plattformen. Glauben Sie, dass diese Ideen, die bereits von anderen südlichen Ländern stark unterstützt werden, für andere europäische Partner von Interesse sein werden, um neue Einnahmen zu schaffen?”

Mário Centeno, Präsident der Eurogruppe:
“Die Unterstützung dieser Art von Finanzierung ist im Rahmen des europäischen Haushalts durchaus sinnvoll. Wenn sich die Europäer den Fragen der Haushaltsfinanzierung näher fühlen und diese Finanzierungsquellen besser verstehen, dann wird dies sicherlich die größte Herausforderung für Europa voranbringen – die Bürgerinnen und Bürger näher an das europäische Projekt heranzuführen. So wird das Ursache-Wirkungs-Prinzip transparenter und leichter zu verstehen sein. Es gibt heute neue Herausforderungen in Europa: Sicherheit, Verteidigung, Migration, der demografische Wandel, dem wir gegenüberstehen. Diese Herausforderungen findet man in jedem europäischen Land. Sie können fast immer besser auf europäischer Ebene bewältigt werden.”

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