Afrin-Offensive der Türkei: Jesiden fühlen sich akut bedroht

Afrin-Offensive der Türkei: Jesiden fühlen sich akut bedroht
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Von Kirsten Ripper mit AFP
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Jesiden in Deutschland schlagen Alarm: sie sagen, die Militäroffensive der Türkei in Afrin bedrohe ihre Religionsgruppe. Einige vergleichen die Besetzung von Afrin mit der Vertreibung aus Sindschar durch den IS 2014. Auch weil die Türkei ihre Militäroperation dorthin ausweiten will.

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Durch die Militäroperation der türkischen Regierung im syrischen Afrin fühlen sich viele Jesiden akut bedroht. Die Organisation "Eziden weltweit" hat einen Appell an die UNO, die EU und die deutsche Regierung gerichtet. Die Jesiden fordern die Politiker dazu auf "die Türkei in die Schranken zu weisen." 

Es gibt Fotos und Videos aus Afrin, die zeigen, wie Kämpfer - vor allem die islamistischen Verbündeten der türkischen Armee - nach der Einnahme der Stadt plündern, während rund 200.000 Bewohner geflüchtet waren.

In der Pressemitteilung der "Eziden weltweit" heißt es auch: "Der Heimat von zahlreichen Minderheiten wie der Assyrer, Suroyer, Kurden, Aleviten und Eziden droht nun die kulturelle Vernichtung. Das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der Eziden in Syrien wird durch den illegalen und völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei zerstört."

Besonders aufgebracht sind die Jesiden gegen die islamistischen Milizen der sogenannten "Freien Syrischen Armee", die die Militäroperation der türkischen Armee unterstützen. 

Die aus Syrien stammende und in Deutschland lebende Medizinerin Melav Bari erklärt, diese Islamisten betrachteten die Jesiden als "Ungläubige". Das tut auch das Terrornetzwerk "Islamischer Staat", der die Jesiden 2014 aus ihrer Heimat Sindschar vertrieben hatte. Deshalb vergleichen viele Jesiden die Bedrohung 2018 mit der von 2014.

Melav Bari gehört zur "Gesellschaft ezidischer AkademikerInnen". Diese verlangen, die deutsche Regierung müsse "ihrem Versprechen, dass nie wieder ein Genozid an den Eziden wie 2014 in Shingal zugelassen werden dürfe, endlich Taten folgen lassen. Hierzu müssten die Bundesrepublik und die übrigen NATO-Partner auf die Türkei mäßigend einwirken, um der gezielten Vertreibung, Zerstörung und Plünderung der Region Einhalt zu gebieten. Insbesondere müssten die Waffenlieferungen an die Türkei beendet werden, weil diese im Krieg in Afrin zum Einsatz kämen. Ferner müsse ein Zugang internationaler humanitärer Hilfsorganisationen in die Region ermöglicht werden, damit Medikamente, Nahrung und Wasser an die Not leidende Bevölkerung verteilt werden könnten. Es sei auch erforderlich, neutrale Beobachter in die Region zu lassen, um die Lage fortwährend zu dokumentieren. Der Minderheitenschutz müsse besonders nachdrücklich eingefordert werden, insbesondere für die Eziden, die in 23 Dörfer im Distrikt Afrin verteilt und nunmehr schutzlos seien. Thematisiert wurde in diesem Rahmen auch, dass die Asylanträge von mittlerweile mehr als 1.000 Eziden vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt worden seien, was eindrücklich zeige, welche Aufweichung das Asylrecht in Deutschland mittlerweile erfahren habe."

Besonders beunruhigt hat die Jesiden auch ein Satz des türkischen Präsidenten, der schon mehrmals angekündigt hatte, dass die Armee nach Afrin die Kurdenmilizen YPG und PKK im Norden des Irak bekämpfen werde. Recep Tayyip Erdogan sagte in Beştepe in der Türkei: "Eines Nachts können wir ins Sindschar-Gebiet eindringen und von den dortigen PKK-Mitglieder säubern." Die Türkei sieht nicht nur die PKK, sondern auch die syrische YPG als Terrororganisation. 

Das Sindschar oder Shingal genannte Gebirge ist die Wiege der Jesiden, von hier hat die IS-Terrormiliz im Juli und August 2014 Tausende Jesiden vertrieben. Die Jesiden betrachten diese Vertreibung als Völkermord, 

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