"Schlimmstes Land": Warum Puigdemont-Gegner sich über deutsche Festnahme freuen

Barcelona am 26.03.2018 - Die Unabhängigkeitsfrage spaltet die Gesellschaft
Barcelona am 26.03.2018 - Die Unabhängigkeitsfrage spaltet die Gesellschaft Copyright  REUTERS/Albert Gea
Von Alexandra LeistnerMarta Rodriguez mit dpa
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Der ehemalige Regionalpräsident wurde am Wochenende in Schleswig-Holstein verhaftet. In Madrid reibt man sich die Hände...

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Ist er ein Held oder ein Straftäter? Carles Puigdemont spaltet Spanien wie kein Poltiker in der modernen Geschichte des Landes. In seinem belgischen Exil glaubte er sich sicher, jetzt wurde er in Deutschland festgenommen.

Dass die spanische Justiz einen europäischen Haftbefehl am Freitag erließ, bevor der ehemalige Regionalpräsident aus Belgien nach Finnland reiste, scheint kein Zufall. In Madrid freut man sich, dass Puigdemont in Deutschland festgenommen wurde. Viele sind sich dort einig, dass die deutsche Justiz den 55-Jährigen nach Prüfung ausliefert.

Puigdemonts Gegner weisen auf die Ähnlichkeit des spanischen und deutschen Rechts hin, wie die Zeitung El Confidencial berichtet in einem Artikel mit der Überschrift "Deutschland, das schlimmste Land für Puigdemont: lebenslange Haft wegen Hochverrats".

Er und seine Mitstreiter sind unter anderem wegen "Rebelíon" angeklagt - ein Straftatbestand, der je nach Interpretation dem deutschen "Hochverrat" nahekommt.

Wenn die deutsche Justiz entscheidet, dass sich die beiden Vergehen ähneln, müsste Deutschland Puigdemont ausliefern.

Hochverrat und Rebellion

Was sagt das spanische Gesetz?

Das spanische Strafgesetzbuch benennt "Rebellion" im Artikel 472. Dieser richtet sich gegen Putschisten. Menschen, die versuchen, gewaltsam die Macht in Spanien an sich zu reißen. Der Gesetzesartikel nennt hier aber ganz konkret, dass die Rebellion mit Waffengewalt, Gewalt gegen Personen oder dem Unterbrechen von Bahn-, Telefon- oder Funkverbindungen einhergehen muss.

Daher ist auch in Spanien unter Juristen umstritten, ob Puigdemont sich mit dem Unabhängigkeitsreferendum und dem Aufruf zu Demonstrationen der "Rebellion" schuldig gemacht hat.

Pablo Llarena, der zuständige Richter am Obersten Gerichtshof, ist der Meinung, die Separatisten hätten Gewalt zumindest geduldet.

Art. 472 Rebellion

Rebellion begeht, wer sich gewaltsam und öffentlich mit einem der folgenden Ziele erhebt:

  • Um die Verfassung aufzuheben, auszusetzen oder ganz oder teilweise zu ändern.
  • Um die Durchsetzung freier Wahlen für öffentliche Ämter zu verhindern.
  • Um die Unabhängigkeit eines Teil des Staatsgebiets zu erklären.
  • Um die Befehlsgewalt über eine bewaffnete Macht gleich welcher Art anstelle der Regierung zu übernehmen.

Strafmaß für Rebellion, Artikel 473

Wer unter Aufwiegelung der Rebellen der Rebellion Vorschub leistet oder sie aufrechterhält und die hauptsächlichen Anführer derselben werden mit einer Gefängnisstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft und absoluten Verlust der Amtsfähigkeit für denselben Zeitraum; wer eine untergeordnete Leitungsfunktion ausübt, mit Gefängnisstrafe von 10 bis 15 Jahren und absolutem Verlust der Amtsfähigkeit für 10 bis 15 Jahren; die bloßen Teilnehmer mit Gefängnisstrafe von 5 bis 10 Jahren und besonderem Verlust der Amtsfähigkeit für 6 bis 10 Jahre.

Was sagt das deutsche Gesetz?

Unter Paragraph 81 des Strafgesetzbuch ist der Straftatbestand "Hochverrat gegen den Bund" geregelt. Wörtlich steht dort geschrieben:

(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt

1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder

2. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,

wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren

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Deutschland und die Unabhängigkeit

Ein weiteres deutsches Gesetz und ein Gerichtsentscheid macht den Gegnern von Carles Puigdemont Hoffnung auf eine baldige Auslieferung und anschließenden Prozess in Spanien.

Artikel 21.2 des Grundgesetzes besagt: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."

Separatistische Parteien, wie die von Carles Puigdemont, wären in Deutschland verboten. Zudem sei im deutschen Gesetz für Unabhängigkeitsbestreben kein Raum, so die Interpretation.

Um dieses Argument zu bekräftigen, wird in El Confidencial auf einen Gerichtsentscheid des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 hingewiesen. Das Gericht wies im Februar ein Ansuchen der Bayernpartei auf einen Volksentscheid zur Unabhängigkeit Bayerns ab.

Das Grundgesetz sehe keine Abspaltung einzelner Bundesländer vor, so die Richter. Austrittsbestrebungen verstießen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, hieß es in dem Beschluss.

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