Gegen Multi-Kulti? Bei dieser Hotline hört man Ihnen zu

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Von Johannes Pleschberger
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Ihnen gefällt die Anti-Migrations-Rhetorik von AfD, FPÖ und Co? Dann möchte Ali Can von Ihnen angerufen werden.

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Ali Can, Gründer einer Hotline für besorgte Bürger, im Interview mit Euronews. Sich selbst bezeichnet er als "vorbildlichen Migranten". 1995 kam er als unterdrückter kurdischer Alawit von der Türkei nach Deutschland, damals war er noch ein Kind. Mittlerweile lebt er in Essen.

Sein Ziel ist es, einen offenen Austausch in einem Land zu fördern, das in der Frage der Einwanderung zunehmend gespalten ist. Außerdem glaubt er, dass das Ignorieren von Wählern, die sich wegen der Ankunft von hunderttausenden Migranten unwohl fühlen, nur noch Öl ins Feuer gießt. Sein Motto: Reden wir miteinander, nicht übereinander.

"Politiker nehmen besorgte Bürger pauschal nicht ernst"

"Ich will ja das Feld nicht den Radikalen überlassen, weil Rechtpopulisten die Ängste und Sorgen dann instrumentalisieren und pauschalisieren", sagt Can. Während der sogenannten Migrantenkrise in den Jahren 2015 und 2016 habe man "Politiker im öffentlichen Raum gehört, die pauschal die besorgte Bürger nicht ernst genommen haben", sagt er. Can hält wenig von "Verallgemeinerungen", dass diese Menschen einfach nur als rechts bezeichnet werden. "Ich habe gemerkt, der Umgang ist total falsch."

Viele haben das Gefühl, nur die AfD nehme sie ernst

Im Zuge der Bundestagswahl im vergangenen Herbst, bei der die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) einen enormen Wahlsprung erlebte, hat Can mitbekommen, dass viele seiner Gesprächspartner das Gefühl hatten, keine andere Partei nehme sie ernst. "Sie sagen oft, was sollen wir denn sonst machen? Die anderen Parteien haben… Dann haben wir das Parteiprogram angeguckt zusammen. Also, bei den Wahlen hat man schon gemerkt, nicht jeder will unbedingt die AfD wählen."

Can hat die kostenlose Hotline im August 2016 eingerichtet. Heute werden Anrufer manchmal sogar von lokalen Behörden weitergeleitet. Er und zwei weitere Freiwillige nehmen durchschnittlich fünf Anrufe pro Woche entgegen. Es mag nicht nach viel klingen, sagt er, aber "so ein Gespräch dauert mindestens 30-60 Minuten, denn man muss sich ja auf eine Diskussion einlassen". Das brauche Zeit und Geduld.

Häufiges Thema der Gespräche: Deutschland werde von islamischer Kultur überrannt

Ali Can bei einem Weihnachtsmarkt in 2017 (Ali Can/Facebook)

Seine Website erklärt ausdrücklich, dass es nicht das Ziel ist, Anrufer von irgendetwas zu überzeugen, und dass jedes Gespräch in gegenseitigem Respekt geführt werden muss. Die Gespräche drehen sich typischerweise um Themen wie die dschihadistische Bedrohung und die Wahrnehmung, dass Deutschland von einer islamischen Kultur überrannt wird.

"Die meisten wollen mich auch überzeugen und sagen dann so etwas wie: Wir müssen jetzt die Grenzen stoppen und, ja, wir brauchen endlich wieder mehr Tradition. Ich versuche dann sehr schnell zu etablieren, dass es nicht ums Überzeugen geht. Ich sag auch von vornherein, hier geht’s nicht um meine Meinung, mir geht’s darum dass wir uns austauschen und dass wir uns wertschätzen", erklärt Can. Er und seine Kollegen diskutieren dann die Fragen mit Fakten und Informationen, von denen sie glauben, dass einige Anrufer vielleicht nichts darüber wissen.

Auch einige Argumente der Anrufer legitim

Obwohl die Hotline-Freiwilligen eine multikulturelle Gesellschaft unterstützen berichten sie, dass auch sie nicht immun sind gegen gute Argumente, die von der anderen Seite präsentiert werden.

"Wussten Sie, dass 80 Prozent der Asylbewerber keinen gültigen Pass haben?" Das hat er von einem Anrufer gehört, sagt er. Nachdem er online etwas recherchiert hatte, fand er Zeitungsberichte, die dies belegen. "Das hat mich auch zum Nachdenken gebracht", sagt Can. Obwohl es eine Reihe von verständlichen Gründen dafür geben kann, dass Asylsuchende keine gültigen Dokumente besitzen, wie zum Beispiel der Verlust während der Reise oder eine Entwendung gegen ihren Willen. "Ich denke, ja, sie haben Recht. Sie wollen in Sicherheit leben. Ich könnte auch ein Opfer von Terror oder Terroristen sein. Das war eine Gelegenheit, die mich für diesen Gedanken sensibilisierte."

"Viel Respekt Zentrum" in Planung

Bald wird die Hotline ein neues Zuhause haben, da Can an der Eröffnung des "Viel Respekt Zentrums" in seiner Heimatstadt arbeitet. Er will Mitglieder aus verschiedenen Gemeinschaften beschäftigen und die Hotline auf ein neues Level bringen. Das Gebäude wird acht Räume haben, einen Gebetsraum für Muslime, einen für eine LGBT-Gruppe, daneben einen Raum für Juden und einen weiteren für Buddhisten. Zusätzlich soll es einen Raum für diejenigen geben, die dem Multikulturalismus skeptisch gegenüberstehen, sogenannte "besorgte Bürger". Obwohl jede Gruppe ihren eigenen Raum haben soll, würden sie unweigerlich im Gebäude aufeinanderstoßen, und wer weiß, wohin diese Interaktion führen könnte.

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