60 Jahre Atomium - wie geht es weiter mit Europas Energieversorgung?

60 Jahre Atomium - wie geht es weiter mit Europas Energieversorgung?
Von Stefan Grobe
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Die meisten europäischen Kernreaktoren beenden bald ihre Lebenslaufzeit - dennoch hat die Kernenergie eine Zukunft, sagen Experten.

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Als das Brüsseler Atomium vor 60 Jahren eingeweiht wurde, war dies eine zuversichtliche Botschaft.

Das futuristische Bauwerk: ein Glaubensbekenntnis zur Wissenschaft und auch zur Nukleartechnologie.

"Vor sechs Jahrzehnten bezog die EU ein Viertel ihres Stroms aus der Kernenergie."

Heute sind EU-weit 127 Atomkraftwerke in Betrieb, davon allein 58 in Frankreich.

Belgien betreibt sieben, so viel wie Deutschland.

Samuele Furfari ist Energie-Experte an der Freien Universität Brüssel und erzählt den historischen Hintergrund der europäischen Atomkraft.

"1955 trafen sich die sechs Außenminister in Messina, um sich über die Zukunft Europas und eine kühne Idee von damals Gedanken zu machen, nämlich die Vollendung des Euratom-Vertrages. Dieser sollte die Entwicklung der Atomenergie in Europa erlauben, und zwar zu rein wirtschaftlichen Zwecken. Damals glaubte man, die Europäische Gemeinschaft nicht ohne reichhaltigem und billigem Strom wirtschaftlich voranbringen zu können."

Im vorigem Monat beschloss die belgische Regierung einen neuen Energie-Pakt, der auch den Ausstieg aus der Kernenergie innerhalb der nächsten sieben Jahre vorsieht.

Diese Lücke soll vor allem mit Erdgas gefüllt werden.

Doch wie realistisch ist diese Vision und diese Frist?

Fragen an die belgische Energieministerin Marie-Christine Marghem.

"Ist Belgien heute darauf vorbereitet? Die Antwort lautet nein, noch nicht. Aber wir arbeiten sehr aktiv daran", sagt sie.

"Wir haben eine Reihe von Gesetzen in Kraft gesetzt sowie einen ehrgeizigen Zeitplan für den Bau von Erdgaskraftwerken, wenn 2022-2023 die letzte Ausstiegsphase beginnt. Dann werden zwei Atomkraftwerke nach 40jähriger Laufzeit vom Netz genommen. Die übrigen fünf folgen bis 2025."

Wie sicher sind Belgiens alternde Reaktoren? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Im benachbarten Luxemburg - ein Land ohne Atomenergie - plant die Regierung ein Gesetz, das den Bürgern die Klage gegen einen Atomkraftwerksbetreiber in einem Nachbarland erlauben soll - im Fall eines Unfalls.

Und in Belgien selbst begann die Regierung kürzlich damit, Jod-Tabletten an die Bürger zu verteilen, um im Bedarfsfall die Strahlenwirkung zu mindern.

"Von den 400 weltweit betriebenen Atomkraftwerken sind drei Viertel sehr alt und haben ihre Lebenslaufzeit bald erreicht", sagt der Anti-Atom-Aktivist Stephane Lhomme aus Frankreich.

"Wie immer man also über diese Technologie denkt, ein Großteil der Reaktoren wird demnächst abgeschaltet. Dieser Prozess ist bereits im Gange, etwa in den USA oder in Japan, wo die Fukushima-Katastrophe eine unumkehrbare Entwicklung eingeleitet hat."

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Die EU drängt daher auf die verstärkte Nutzung von erneuerbarer Energie.

Bis 2020 sollen zwanzig Prozent des EU-weiten Energiemixes aus WInd-, Sonnen- oder anderen alternativen Energie kommen.

2016 waren es bereits 17 Prozent.

Belgiens nationales Ziel is 13 percent - erreicht waren 2016 erst 8,7 Prozent.

Einige Staaten haben ihre Ziele bereits erreicht, etwa Schweden, Ungarn und Litauen.

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Doch die Atomwirtschaft wird deswegen nicht verschwinden.

Tatsächlich sind neue Reaktoren im Bau wie etwa hier in Frankreich, aber auch in Großbritannien.

Die EU-Atomlobby ist im Industrieverband FORATOM vertreten. Dieser sagt, Kernenergie sei sicher und umweltfreundlich.

"Nuklearenergie bietet sauberen Strom und Angebotssicherheit, macht die EU also weniger abhängig von Öl- und Gasproduzenten", sagt FORATOm-Sprecherin Berta Picamal.

"Das sollten wir also bedenken, wenn wir heute den best-möglichen Energiemix auf dem Markt haben wollen."

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Der Glaube an die technologische Machbarkeit wird längst hitzig diskutiert - und auch die künftige Energieversorgung Europas.

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