Cannes kann auch politisch

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Von Jule Scharr mit dpa
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Cannes kann auch politisch. Das zeigen die Kontroversen um die Filme "Leto", "Three Faces" und "Rafiki".

Cannes kann auch politisch. Das zeigen die Kontroversen um die Filme "Leto", "Three Faces" und "Rafiki".

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„Leto“ erzählt von russischen Rockrebellen im Leningrad der 80er Jahre. Von Widerstand, Liebe und Freiheit. In Cannes feiert der Film ohne seinen Regisseur Kirill Serebrennikow Premiere.

Putin-Kritiker Serebrennikow wurde während der Dreharbeiten festgenommen. Seit Monaten steht er unter Hausarrest. Moskau wirft ihm Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder am Theater vor.

Für den Produzenten von „Leto“, Ilya Stewart, ist Serebrennikow Opfer eines Willkürregimes: „Es ist furchtbar. Das ist ein Festival für Filmemacher. Der Regisseur sollte dabei sein. Dass es nicht so ist, ist ein Fehler.“

Kirill Serebrennikow darf seine Wohnung zwischen sechs und acht Uhr abends verlassen, muss aber in der Nachbarschaft bleiben. Den Rest des Tages sitzt er zu Hause. Der größte Teil der Dreharbeiten war im Kasten, bevor der Hausarrest verhängt wurde. Serebrennikow schnitt seinen Film im Arrest zu Ende.

Die Organisatoren von Cannes hatten über das französische Außenministerium bei Russlands Staatschef Putin um eine Ausreiseerlaubnis für Serebrennikow gebeten. Putin ließ mitteilen, er hätte gerne geholfen. „Doch Russlands Justizsystem ist unabhängig“, zitierte das Filmfest den Kremlchef.

"Three Faces": Roadmovie gegen das Patriarchat

Auch der Iraner Jafar Panahi durfte nicht zur eigenen Filmpremiere anreisen. In „Three Faces” zeichnet er am Beispiel von drei Schauspielerinnen ein kritisches Abbild der Gesellschaft. Panahi darf den Iran nicht verlassen, hat seit Jahren Berufsverbot. Er macht trotzdem weiter.

Festivalleiter Thierry Frémaux sagte während einer Pressekonferenz an der Côte d‘Azur: „Es ist ironisch: ‚Leto‘ und ‚Three Faces‘ sind beide keine politischen Filme. Sie richten sich nicht gegen das iranische oder russische Regime. Es sind Kunstfilme.“

„Rafiki“: Lesbische Liebesgeschichte in einer homophoben Gesellschaft

„Rafiki“ ist der erste kenianische Beitrag überhaupt in Cannes. Regisseurin Wanuri Kahiu darf beim Filmfestival dabei sein, doch auch sie wird in ihrer Heimat zum Schweigen gebracht. Ihr Film, eine lesbische Liebesgeschichte, ist in Kenia verboten.

„Anfangs haben uns keine Sorgen gemacht, denn wir hatten ja das Gesetz respektiert. Wir wollten daran glauben, dass unser Land fortschrittlich ist, jeden Morgen haben wir versucht, uns zu sagen, dass sich etwas bewegt“, sagte Wanuri Kahiu in Cannes. „Als der Film dann verboten wurde, fühlte es sich an, als nehme man uns das Recht auf freie Meinungsäußerung wie es in unserer Verfassung steht.“

„Leto“, „Three Faces“ und „Rafiki“: Drei Filme, in denen Politik eigentlich nur am Rande eine Rolle spielt. Und trotzdem machen sie Cannes 2018 zu einem der politischsten Festspiele der vergangenen Jahre. Sie alle werfen die Frage auf: Welche Rolle kann die Kunst in einem unfreien Regime spielen?

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