Merkel-Seehofer: "Nervenkrieg" und "Schmierentheater"

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Von Kirsten Ripper mit dpa, NZZ, FAZ
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Die Presseschau am Tag nach der Einigung zwischen CDU und CSU.

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Am Tag nach der EInigung zwischen CSU und CDU sitzen Angela Merkel und Horst Seehofer wieder im Bundestag auf der Regierungsbank. Die Kanzlerin hat eine ihrer schicken Handtaschen dabei. Doch viele Kommentare zur Einigung zwischen den beiden "Schwesterparteien" der Union sind sehr kritisch - vor allem zu den sogenannten "Transitzentren" an Deutschlands Grenze zu Österreich, die in der englischen Übersetzung zu "Lagern" werden.

dpa: "Protokoll eines Nervernkriegs"

Die Nachrichtenagentur dpa nennt die Auseinandersetzung einen "Nervenkrieg": "Tagelang stand die Union am Abgrund. Seehofer pokert zuletzt mit seiner politischen Karriere. Mit seiner Rücktrittsankündigung schockt er die CDU ebenso wie die eigene Partei. «Ist das wirklich passiert, oder war das nur ein böser Traum», fragt sich ein hochrangiges CSU-Mitglied am Montagmorgen.

Die Lage ist so ernst, dass sich sogar der Bundestagspräsident einschaltet. Überraschend kommen Merkel und Seehofer am Nachmittag für etwa eine Stunde im Büro von Wolfgang Schäuble (CDU) zusammen. Am Ende des Tages, heißt es, Schäuble sei vor allem durch die Rücktrittsankündigung Seehofers alarmiert gewesen. Er soll Merkel und Seehofer gleichermaßen ins Gewissen geredet haben, was es für die Parteienlandschaft bedeuten würde, sollte die Unionsgemeinschaft zerbrechen. Der Präsident war für die Mediatorenfunktion prädestiniert: Ihm wird ein guter Zugang zu den Vorstellungen von Merkel genauso wie von Seehofer nachgesagt.

Der CSU-Chef war zuvor direkt aus München gekommen - an der Fraktionssitzung am Nachmittag nimmt er bereits zum zweiten Mal hintereinander nicht teil. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist allerdings anwesend. Merkel gibt ihm die Hand, beide lächeln wie üblich. Doch als sich Merkel wie gewohnt auf ihren Platz vor die Kameraleute setzt, würdigt sie ihn keines Blickes mehr. Dobrindt gilt manchen in der CDU im Streit der Unionsschwestern als Scharfmacher."

NZZ: "Merkel und Seehofer - beide angeschlagen"

Die NZZ, as Blatt aus Zürich meint, es gehe vor allem um den Machtwillen: "Warum Merkel zu diesem Kompromiss Hand geboten hat, lässt sich vielleicht am ehesten aus einer Kombination von Machtwillen und Müdigkeit erklären. Seehofer war scheinbar bereit, seine Karriere zu opfern. Merkel nicht. Gleichzeitig musste sie einsehen, dass ein solcher Streit und diese ständige Politik der Nacht kein dauerhaftes Modell für Deutschland sind.

Merkel und Seehofer gehen gleichermassen angeschlagen aus diesem Manöver. Sie offenbarte, wie dünn ihre Macht noch ist. Er zeigte, dass es ihm letztlich vor allem um eine persönliche Abrechnung mit Merkel ging. Seine Vertrauenswürdigkeit als Politiker hat gelitten. Dass die beiden nun weiterhin zusammenarbeiten, verspricht wenig Gutes."

FAZ: "Merkel belohnt das Schmierentheater"

In der Frankfurter Allgemeinen besteht der Titel der Online-Ausgabe aus einem Zitat eines Linken-Politikers: "Gemeinsam mit seiner Ko-Vorsitzenden Katja Kipping erklärte Riexinger: „Der Machtkampf in der Union ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Nach dem Rücktritt vom Rücktritt belohnt Bundeskanzlerin Merkel das Schmierentheater der CSU mit weiteren Zugeständnissen und rückt damit die Politik weiter nach rechts.“"

Jyllands Posten: "Merkel und Seehofer nah am Verfallsdatum"

Die rechtsliberale dänische Tageszeitung "Jyllands-Posten" ausAarhus kommentiert am Dienstag die Regierungskrise in Deutschland:: "Man könnte glauben, die Welt habe so viele Probleme, dass man nicht notwendigerweise neue Herausforderungen schaffen muss, um etwas zu tun zu haben. Doch genau das passiert zur Zeit in Deutschland. Europas größtes und sicher wichtigstes Land hat eine Krise erfunden, die das politische Berlin auf viele Arten lähmt. Das sollte nicht passieren, denn es gibt keinen Gewinner - und worüber man streitet, ist für Otto Normalverbraucher nicht zu verstehen. [...] Sowohl Merkel als auch Seehofer sind nah am politischen Verfallsdatum. Je eher beide das einsehen, desto besser."

De Volkskrant: "Merkels Stern sinkt"

Zum Asylkompromiss von CDU und CSU schreibt die niederländische Zeitung "de Volkskrant" online: "Es scheint, dass Angela Merkel mit diesem Deal zum wiederholten Mal in ihrer Laufbahn ein machtpolitisches Husarenstück geliefert hat und dabei ihrer Linie treu geblieben ist. Sie hat sich nicht provozieren lassen und sie hat ihren Willen durchgesetzt. Die Idee von zentralen Transitzentren unterbreitete sie Horst Seehofer bereits vorige Woche, neu ist jetzt nur, dass sie an der Grenze errichtet werden sollen. Und doch dürfte sie dadurch geschwächt worden sein - in Deutschland und in Europa. Die CDU ist eine Partei, die sich Machterhalt auf ihre Fahnen geschrieben hat. Ein alter Führer geht erst, wenn ein Nachfolger bereit steht, so wie Merkel damals Helmut Kohl fallen ließ. Noch gibt es keinen Nachfolger, aber in den Reihen der Partei beginnt es zu knistern. Julia Klöckner, die ambitionierte Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft, äußerte überraschenderweise ihr Verständnis für die CSU. Gesundheitsminister Jens Spahn widerspricht Merkel bereits seit Monaten öffentlich. Bei einer Politikerin von Merkels Statur kann das Ende lange dauern, aber ihr Stern sinkt unverkennbar."

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