Genua: Wie 7 Personen dem Tod entrinnen konnten

Genua: Wie 7 Personen dem Tod entrinnen konnten
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

"Als ich das Loch sah, legte ich instinktiv den Rückwärtsgang ein, um dieser Hölle zu entkommen" - Die Überlebensberichte von sieben Personen:

WERBUNG

Ein Mann wurde von den Trümmern eingeklemmt und hing 20 m über dem Boden, ein anderer stürzte 40 m nach unten, als die Morandi-Brücke nachgab, erlitt aber kaum einem Kratzer.

Eine Mutter wiederum erzählte, wie sie die Hand ihrer Tochter umklammerte hatte, während sie auf Retter wartete, um aus dem Schutt befreit zu werden.

Bisher sind mindestens 15 Personen bekannt, die den Vorfall in Genua mit behandelbaren Verletzungen überlebt haben. Sieben weitere wurden aus den Trümmern gezogen und haben ebenfalls überlebt. Dutzende Zeugen haben ihre Berichte über das, was passiert ist, mitgeteilt.

Hier sind einige ihrer Geschichten:

"Ich fing an, Steine aus ihrem Gesicht und Mund zu entfernen"

Marina Guagliata hielt die Hand ihrer Tochter Camilla, als sie unter den Trümmern lag, bis Polizisten und Feuerwehrleute sie befreien konnten. Die beiden hatten sich in einem Abfallentsorgungsgebäude entlang des Polcevera-Flusses befunden , als sie verschüttet wurden.

"Camilla ist in einem ernsteren Zustand mit gebrochenen Hüften, aber heute sind wir uns endlich sicher, dass sie es schaffen wird", sagte Marina (58) über ihre 24-jährige Tochter.

"Ich spürte, dass sie da unter den Trümmern war, ganz in meiner Nähe", fuhr sie fort. "Ich begann, die Steine aus ihrem Gesicht und Mund zu entfernen, dann verlor ich das Bewusstsein.

Es dauerte nur einen Augenblick und alles war eingestürzt, ich erinnere mich an fast nichts. Camilla sagte mir, dass ich angefangen hatte zu schreien. Vielleicht fange ich erst heute, nach zwei Tagen, an, mich zu erinnern, was wirklich passiert ist."

"Ich lief wie Usain Bolt"

Valentina Galbusera, eine Hämatologin, die im Krankenhaus Villa Scassi arbeitet, war in einem kleinen Stau auf der Autobahnbrücke stecken geblieben, als diese plötzlich zu bröckeln begann. "Ich wartete in der Schlange und es regnete in Strömen. Irgendwann sah ich die Pfeiler der Brücke einstürzen, als wäre es das World Trade Center. Ich habe versucht, das Auto in den Rückwärtsgang zu schalten und 600 Meter rückwärts zu manövrieren.

Weiter hinten hatte der LKW eines Supermarktes vor dem klaffenden Loch angehalten. Ein junger Mann verließ sein Auto und fing an zu rennen. Ich stieg auch aus meinem Auto aus. Da war ein kleines Mädchen mitten auf der Straße, das schrie: 'Die Brücke geht unter.'

Ich rannte wie Usain Bolt, bis ich in Sicherheit war. Es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe."

"Ich sah, wie das Auto in den Wolken verschwand"

Der Fahrer des bereits erwähnten Supermarkt-LKWs beschrieb, wie die Autos vor ihm auf einmal verschwanden, als die Straße unter ihm bebte.

"Ein Auto hat mich überholt. Ich sah wie es sich in den Rückspiegeln näherte. Es überholte mich und fuhr weiter. Wir waren gerade auf die Brücke gekommen", sagte der 37-Jährige.

Es regnete viel, strömte herunter, es war nicht möglich, schneller zu fahren. Als das Auto mich überholte, wurde ich langsamer, da es sonst unmöglich gewesen wäre, einen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Aber irgendwann zitterte auf einmal alles. Ich sah, wie das Auto in den Wolken verschwand, dann hob ich meine Augen und sah, wie die Säule einstürzte.

Ich habe gebremst, fast die Räder blockiert. Als ich das Loch sah, legte ich instinktiv den Rückwärtsgang ein, um dieser Hölle zu entkommen."

Der Fahrer entkam unverletzt. Er fügte hinzu: "Ich merkte, dass alles zusammengebrochen war, dass ich weglaufen musste. Ich verließ den Truck und rannte los. Ich sah andere Fahrer im Regen und sagte ihnen, dass sie dasselbe tun sollten. Ich weiß nicht, wie das möglich ist, aber ich habe überlebt."

"Hätten sie davor angehalten, wäre nichts passiert"

Das ukrainisch-moldauische Ehepaar Nataliya Yelina und Eugeniu Babin aus Caserta, Italien, wurde von Feuerwehrleuten aus den Trümmern gezogen und wird nun wegen Wirbelsäulenverletzungen im Krankenhaus behandelt, sagte Pasquale De Rosa von www.casertareport.it im Gespräch mit Euronews. Er kennt das Paar persönlich.

WERBUNG

"Sie sind überall bandagiert und stehen unter Schock. Sie waren auf dem Weg nach Nizza für einen Kurz-Urlaub und hatten Caserta am Vortag um 16 Uhr verlassen", sagt De Rosa. "Hätten sie davor noch einmal angehalten, um eine Zigarette zu holen, wären sie jetzt unverletzt."

Er fuhr fort: "Wir fanden heraus, was mit ihnen geschah, weil Nataliyas 17-jähriger Sohn sie anrufen wollte, um Hallo zu sagen, aber statt seiner Mutter hatte ein Feuerwehrmann abgehoben. Er suchte sie unter den Trümmern und erzählte ihrem Sohn, was passiert war."

"Es ist ein Wunder, dass er noch lebt"

"Er sagte, er kann sich nur an Feuerwehrleute erinnern, die ihn dazu auffordern sich nicht zu bewegen. Er steckte in den Trümmern fest, 20 Meter über dem Boden", sagte Giulia Organo (28) über ihren Freund Gianluca Ardini (29). Ardini saß am Dienstag hinter dem Steuer seines Lieferwagens, als die Brücke nachgab.

"Ich glaube, der Wille, die Geburt seines Sohnes noch mitzuerleben, gab ihm die Kraft, sich festzuhalten", sagte sie der Nachrichtenagentur ANSA. Organo ist im neunten Monat mit einem kleinen Jungen schwanger.

"Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Ich kann keine anderen Worte finden."

WERBUNG

Ardini kam bei seinem Absturz mit einer Schulterfraktur davon. Sein Baby soll im nächsten Monat zur Welt kommen.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Autostrade: 500 Mio. Euro für Opfer des Brückeneinsturzes

Italien nimmt offiziell Abschied von den Toten des Brückeneinsturzes

Genua: Trauerfeier für die Opfer