Erdoğan in Köln: weniger Demonstranten als erwartet

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Von Euronews
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Der türkische Präsident eröffnet die Zentralmoschee und spricht mit Ministerpräsident Laschet. Das mobilisiert Gegner und Befürworter in der Millionenstadt.

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Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, ist bei seinem Staatsbesuch in Deutschland am Samstag erneut mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengekommen. Die Stimmung war schon beim Staatsbankett am Vorabend frostig, die Differenzen bei Themen wie Pressefreiheit und Menschenrechten belasten das Verhältnis beider Länder unübersehbar.

Per Flugzeug reiste Erdoğan weiter ins Rheinland, um in Köln die Ditib-Moschee offiziell zu eröffnen. Auch das ist ein politisch umstrittener Akt. Der türkisch-islamische Kulturverein Ditib gilt für viele als langer Arm der türkischen Regierung, da er indirekt dem Ministerpräsidentenamt untersteht.

Die Stimmung war im Vorfeld entsprechend angespannt, es waren Demonstrationen von Erdogan-Befürwortern und Gegnern angekündigt. Die Polizei bereitete sich auf einen Großeinsatz vor, die Behörden verboten eine Außenveranstaltung vor der Moschee, weil die Ditib kein angemessenes Sicherheitskonzept vorgelegt haben soll. Nun steht der Vorwurf im Raum, die Vorgaben seien so spät gemacht worden, dass sie unerfüllbar gewesen seien.

Auf Seite der Erdoğan-Gegner kamen zunächst nur wenige Demonstranten. Statt der erwarteten 10.000 Teilnehmer kamen bis zum Mittag schätzungsweise rund 1.000 Menschen zusammen.

Auf Erdoğans Tagesordnung stand auch ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Dieser hatte im Vorfeld angekündigt, dass er kritische Themen wie die Pressefreiheit in der Türkei und die Lage der dort inhaftierten Deutschen ansprechen will. Der Ort des Treffens musste kurzfristig verschoben werden, da der Besitzer des ursprünglich geplanten Veranstaltungsortes eine Absage schickte, aus politischer Überzeugung.

Erdoğan selbst hält seinen Staatsbesuch dem Vernehmen nach für gelungen. Bei der Eröffnung der Moschee sagte er, die Reise habe die deutsch-türkische Freundschaft vertieft.

Noch am Freitagabend hatte Erdoğan heftig auf Bemerkungen von Deutschlands Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zur Inhaftierung von deutschen Staatsbürgern aus politischen Gründen in der Türkei reagiert. Der türkische Präsident forderte Respekt für die türkische Justiz und warf Deutschland vor, dass dort Tausende Terroristen frei herumlaufen würden.

Ditib und die deutsche Politik

Die Ditib ist die größte Islam-Dachorganisation in Deutschland. Sie untersteht der Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die alle Imame in die rund 900 Moscheegemeinden entsendet und bezahlt. Wegen ihrer großen Nähe zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist der Bundesverband mit Sitz in Köln in die Kritik geraten. Die Ditib - Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion - war lange wichtiger Ansprechpartner der deutschen Politik auch in Fragen der Integration. Das hat sich aber in den vergangenen Jahren deutlich geändert.

Der Bund fördert keine Projekte in Ditib-Trägerschaft mehr. Die NRW-Landesregierung hat ihre Kooperation mit dem Bundesverband auf Eis gelegt. Ditib war unter Druck geraten, weil einige Imame im Auftrag der Regierung in Ankara Kritiker oder vermeintliche Gegner Erdogans bespitzelten. Zudem hatten Berichte für Unruhe gesorgt, nach denen in einigen Moscheegemeinden Kinder in Uniform und mit türkischen Fahnen Kriegsszenen nachspielen sollten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft nach Medienberichten eine Beobachtung der Ditib.

Experten zufolge hat der türkische Staat auf die Ditib über die Diyanet auf allen Ebenen direkten Zugriff. Erst seit dem Putschversuch in der Türkei vor zwei Jahren und dem rigiden Vorgehen Erdogans gegen Kritiker hat sich dieser Einfluss in der Wahrnehmung vieler Beobachter als Problem erwiesen. Die Ditib setze Erdogans Politik in Deutschland um, lautet der Vorwurf. Der Verband selbst bezeichnet sich als rein religiös. Freitagspredigten werden in der Regel auf Deutsch auf der Homepage veröffentlicht.

dpa

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