Antisemitismus in Frankreich: Immer mehr Juden ziehen nach Israel

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Von Cyril Fourneris
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80 Jahre Kristallnacht - euronews beleuchtet in einer Miniserie die Wurzeln des Antisemitismus und den aktuellen Hass, der sich in ganz Europa zeigt.

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Die Novemberpogrome 1938 in Deutschland markieren den Übergang von der Diskriminierung deutscher Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später im Holocaust mündet. Am 9. November, der sogenannten Kristallnacht, haben die Nationalsozialisten mehr als 1400 Synagogen und Friedhöfe sowie jüdische Geschäfte in Deutschland und Österreich geplündert und zerstört.

Es war der Beginn des systematischen Massenmordes der Nazis an Millionen von Juden. In einer Serie geht euronews den Wurzeln der Pogrome nach, denn den Hass, der sich vor 80 Jahren entlud, gibt es noch heute in ganz Europa.

In Frankreich gibt es die größte jüdische Gemeinde in Europa: Dort leben etwa 550.000 Juden. Viele von ihnen fühlen sich seit geraumer Zeit nicht mehr sicher in ihrem Land.

Die Familie Pinto beschloss, aus Seine-Saint-Denis wegzuziehen. Im vergangenen Jahr hielten drei Männer sie mehrere Stunden lang in ihrem Haus fest, sie wurden wegen ihrer Religion "ins Visier genommen". Die Verdächtigen sind im Gefängnis, aber das Trauma bleibt.

"Sie sagten uns: Ihr seid Juden, also habt ihr Geld. Sie fesselten meinen Sohn, und meine Frau traten sie, hauptsächlich in die Rippen. Mich schlugen sie bewusstlos. Sie fesselten uns drei in unserem Zimmer, sie setzten uns aufs Bett. Sie sagten: 'Nicht bewegen, wenn ihr Euch bewegt, seid ihr tot." Als sie merkten, dass wir nicht sehr eingeschüchtert waren, zückte einer einen großen Schraubenzieher. Und dann wurde es ernst: Er hielt mir den Schraubenzieher so an den Hals", sagt Roger Pinto.

Jüdische Einrichtungen stehen unter Schutz

Aufgrund der Terrorismusgefahr stehen Synagogen in Frankreich unter Polizeischutz, ebenso wie die jüdischen Schulen. Seit ihrer Gründung vor 39 Jahren gab es in dieser Pariser Einrichtung immer wieder Gründe für besondere Vorsichtsmaßnahmen, erzählt der Schulleiter Henri Cohen Solal:

"Wir hatten hier auch eine Zeit, in der wir acht bewaffnete Soldaten im Haus hatten. Für die Kinder stellt sich immer die Frage: Warum muss ich, ein jüdisches Kind, Soldaten in meiner Schule haben?"

Die Soldaten sind abgezogen. Die Polizei und eine Gruppe von Eltern übernahmen den Wachschutz: "Ja, die Familien fühlen sich ausreichend geschützt, aber es ist eine Sicherheit, die auf Kosten von eigener Abschottung funktioniert", so Henri Cohen Solal.

Antisemitische Angriffe nehmen zu

Seit dem Jahr 2000 gibt es einen explosionsartigen Anstieg antisemitischer Angriffe in Frankreich. Experten sehen ein Zusammenhang mit der Situation im Nahen Osten:

"In den 1990er-Jahren sind wir unter die Marke von 50 gefallen. Seit dem Jahr 2000, mit der zweiten Intifada, hat es einen dramatischen Anstieg dieser Angriffe und Bedrohungen gegeben. Zu dieser Zeit kommt man auf mehr als 900 antisemitischen Handlungen, sie folgen auf jede der großen Interventionen der israelischen Armee. Sehr oft kennen wir das genaue Profil der Täter nicht, aber wir wissen, dass es eher junge Männer sind - oft mit Migrationshintergrund. Früher waren die Täter vor allem Rechtsextreme, die Ressentiments gegen eine Gemeinschaft hegten, die ihnen privilegiert erschien", sagt Nonna Mayer, Forschungsleiterin am CNRS.

Angst ist der Hauptgrund für die Flucht. Laut Schätzungen verlassen jährlich rund 3000 Juden Frankreich - sie ziehen fast alle nach Israel.

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