Fortbestand des Atomdeals: Iran fordert konkrete Maßnahmen der Europäer

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Von Javad Montazeri
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DIe EU müsse zeigen, dass sie auch ohne die USA handlungsfähig seien, meint der iranische Vizepräsident.

Europa will das Atomabkommen mit dem Iran retten, und die iranische Führung steht auf dem Standpunkt, dass sie die Bedingungen des Atomabkommens eingehalten hat. Deshalb müsse Europa jetzt zeigen, dass der Deal auch ohne die USA weiter bestehen kann. Euronews sprach mit dem iranischen Vizepräsidenten Eshagh Dschahangiri über das komplexe Thema.

Euronews-Reporter Javad Montazeri:"Herr Dschahangiri, willkommen zum euronews-Programm 'The Global Conversation'. Meine erste Frage ist:  Wie steht es um das Atomabkommen? Es scheint, als hätten die Iraner die Nase voll von den sich wiederholenden Auseinandersetzungen über das Atomabkommen. Was ist Ihre Antwort auf die Kritik? Wie verteidigt man diesen Deal?"

Eshagh Dschahangiri, iranischer Vizepräsident:"Das Atomabkommen ist eine der wichtigen Initiativen der Islamischen Republik Iran. Dieses Abkommen wurde geschlossen, um Anschuldigungen auszuräumen, auf deren Grundlage Druck auf die Islamische Republik Iran und das iranische Volk ausgeübt wurde. Ob im Laufe der Verhandlungen oder jetzt, wir haben immer versucht, unserem Volk die Probleme ehrlich zu kommunizieren. Leider wurden die US-Sanktionen nach der Entscheidung Washingtons, sich einseitig aus dem Abkommen zurückzuziehen, strenger wieder eingeführt. In der neuen Runde der Sanktionen haben die USA alle Möglichkeiten ausgeschöpft, dazu gehörte auch, dass sie andere Länder und Unternehmen daran hindern wollten, mit dem Iran zusammenzuarbeiten. Als Reaktion darauf haben wir in einer Reihe von Bereichen Maßnahmen beschlossen. Dazu haben wir erklärt, dass wir - solange sich andere Atomabkommen-Unterzeichner an die Vereinbarung halten und insbesondere solange die Europäische Union konkrete Maßnahmen in dieser Hinsicht ergreift - daran interessiert sind, dass das Abkommen bestehen bleibt und wir uns weiterhin daran halten werden."

Kann die EU unabhängig von der USA Entscheidungen treffen?

Euronews:"Was haben die drei EU-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien getan, um das Atomabkommen zu retten?"

Eshagh Dschahangiri:"Die drei von Ihnen genannten Länder gehören zu den Staaten, die sich bereit erklärt haben, ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen zu erfüllen, wenn der Iran seinen Teil des Abkommens einhält. Zusammen mit Russland und China gehören sie zu den fünf Parteien, von denen man erwartet, dass sie zu ihren Verpflichtungen stehen. Bisher haben die EU im Allgemeinen und die drei Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Besonderen gut und rechtzeitig gehandelt, wenn es um Politik und diplomatische Positionen geht. Damit sind wir zufrieden. Aber es gibt noch keine konkreten Maßnahmen dieser drei Länder, also können wir diesen Deal nicht im Interesse unserer Bürger und unserer Wirtschaft umsetzen. Meiner Meinung nach steht die EU nach dem Zweiten Weltkrieg vor einem entscheidenden Wendepunkt: Kann die EU Entscheidungen unabhängig von der US-Regierung treffen, insbesondere wenn eine Regierung wie die von Trump im Amt ist? Können sie ihre Interessen und ihre internationalen Verpflichtungen verteidigen? Tatsächlich haben wir von der EU keine effektiven Handlungsweisen gesehen."

"EU kann sich nicht als mächtige Einheit präsentieren"

Euronews:"Glauben Sie, dass die EU über die notwendige Durchsetzungskraft verfügt bzw. die Fähigkeit besitzt, sich gegen Trump zu behaupten?"

Eshagh Dschahangiri:"Wir gehen davon aus, dass die EU über eine solche Fähigkeit verfügt. Theoretisch und in Bezug auf die Ansätze haben sie sich bisher gut geschlagen. In der Praxis haben jedoch die EU-Finanzstruktur und insbesondere das EU-Bankensystem gezeigt, dass diese Union nicht in der Lage ist, sich als unabhängiger Entscheidungsträger und mächtige Einheit zu präsentieren, die ihre Erfolge fortsetzen und ihre Verpflichtungen erfüllen kann. Wir hoffen jedoch weiterhin, dass sie ihren Teil der Vereinbarung einhält."

Euronews: "Wo liegt Ihre rote Linie?"

Eshagh Dschahangiri: "Wenn es um internationale Entscheidungen geht, berücksichtigen wir die Kosten und unsere nationalen Interessen. Wo die Nutzen die Kosten überwiegen, stehen wir zu unseren Entscheidungen. Obwohl wir von der Effizienz der EU bei der Ergreifung konkreter Maßnahmen weitgehend enttäuscht sind, bleibt die Hoffnung bestehen, dass die EU etwas tun kann, damit wir vom Atomabkommen profitieren können. Innerhalb des Landes steht die Regierung unter massivem Druck von denjenigen, die die ganze Zeit glaubten, dass die EU ihre Verpflichtungen nicht erfüllen würde, und dass man der EU nicht trauen könne. Tatsächlich nimmt dieser Druck zu, seit die EU ihren Verpflichtungen nicht nachkommt. Wir sind jedoch der Ansicht, dass das Atomabkommen so lange bestehen bleiben sollte, solange es im Interesse des iranischen Volks liegt."

"Der Iran wird keine Verpflichtungen über den Atomdeal hinaus eingehen"

Euronews:"Hat die iranische Regierung die Möglichkeit, weitere Schritte im Austausch für die Zusagen der EU zu unternehmen? Ich meine Schritte, die über das Atomabkommen hinausgehen?"

Eshagh Dschahangiri:"Nein, wir werden keine Verpflichtungen außerhalb der Vereinbarung eingehen. Wir halten uns an das Atomabkommen. Alle Parteien, die das Abkommen ausgehandelt und unterzeichnet haben, müssen sich an ihren Teil der Vereinbarung halten."

Euronews:"Im Mai stehen die Europawahlen an, und es ist denkbar, dass Frau Mogherini und ihr Team bei einem Linksruck ersetzt werden könnten. Was für Perspektiven haben die Beziehungen zwischen Teheran und Brüssel nach dem Ausscheiden von Frau Mogherini?"

Eshagh Dschahangiri:"Regierungen kommen und gehen. Selbst Verpflichtungen, die von Persönlichkeiten wie Frau Mogherini, die der EU angehört, eingegangen wurden, sind keine Einzelverpflichtungen. Sie repräsentieren das Engagement einer Einrichtung namens EU - Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Wer im Amt ist und die Macht hat, ist nicht ausschlaggebend. Wir erwarten, dass die EU alle ihre Verpflichtungen aus dem Atomabkommen erfüllt, unabhängig von etwaigen Änderungen."

Euronews:"Die Eröffnung eines EU-Büros in Teheran steht nach wie vor im Raum. Gibt es dazu Neuigkeiten?"

Eshagh Dschahangiri:"Das iranische Außenministerium verfolgt das Thema. Ich hoffe, dass das Außenministerium und die EU so schnell wie möglich zu einer Einigung kommen."

Keine Gemeinsamkeiten mit den Gelbwesten

Euronews:"In Frankreich gibt es seit Kurzem die Bewegung der sogenannten Gelbwesten. Sicherlich haben Sie bereits davon gehört und verfolgen die Neuigkeiten darüber. Gibt es Ihrer Meinung nach eine Übereinstimmung bzw. Ähnlichkeiten zwischen den Forderungen der Gelbwesten und den Ereignissen, die wir kürzlich bei der iranischen Arbeiterschaft in Teheran erlebt haben?"

Eshagh Dschahangiri:"Da gibt es keine Gemeinsamkeiten. Die Islamische Revolution feierte ihren Sieg vor 40 Jahren, und jetzt sind wir dabei, den Jahrestag des Sieges zu feiern. Das wichtigste Ziel der Islamischen Revolution war es, auf die Bedürfnisse der unterdrückten Gesellschaftsschichten einzugehen, die benachteiligten Regionen des Landes zu schützen und zu deren Entwicklung beizutragen sowie Freiheit und Gerechtigkeit als Forderungen der Öffentlichkeit zu verwirklichen. In den vergangenen 40 Jahren erlebten wir friedliche Kundgebungen und Versammlungen in Großstädten im ganzen Land sowie in Teheran. Die Schlagworte, die man bei diesen Versammlungen hört, entsprechen den Parolen der Revolution und den öffentlichen Forderungen und sind weit entfernt von dem, was jetzt in Frankreich und einigen anderen europäischen Ländern geschieht. Sie werden als gewerkschaftliche Forderungen eingestuft. Die Opposition der Islamischen Republik Iran im Ausland und die Kritiker dieser Regierung im Inneren haben versucht, sie als politisch motivierte Forderungen falsch darzustellen. Natürlich können Arbeiter politische Forderungen haben. Allerdings kann man diese Forderungen keineswegs mit einem öffentlichen Protest vergleichen, der eine Bewegung wie die Gelbwesten in Frankreich auslöste."

Euronews: _"Wie beurteilen Sie die jüngsten Entwicklungen in Syrien und den Abzug der US-Truppen aus diesem Land? Es scheint, dass der Iran in der Zukunft Syriens keine so wichtige Rolle spielen wird. Stimmen Sie mir zu, dass Russland und die Türkei versuchen, die Rolle des Iran in Syrien zu schwächen?"

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Eshagh Dschahangiri:"Das einzige Land mit einer konsequenten und stabilen Haltung in der Syrienfrage war immer die Islamische Republik Iran. Einige Länder, selbst einige unserer Freunde, die derzeit mit uns verhandeln, bestanden damals auf dem Sturz der syrischen Regierung und der Entmachtung von Präsident Assad. Es scheint, dass es - mit der Unterstützung, die sie erhielten - der Assad-Regierung zusammen mit dem syrischen Volk sowie der syrischen Armee gelungen ist, in ihrem Kampf gegen die Gruppen und Extremisten, die Pläne hatten, die Regierung zu stürzen und eine eigene Regierung zu bilden, siegreich zu sein. Die US-Präsenz in Syrien war immer eine illegale. Die syrische Regierung hat die USA nie eingeladen, auch nicht zur Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates. Es ist Fakt, dass der sogenannte Islamische Staat und andere im Irak und in Syrien tätige terroristische Gruppen erst durch die Aktivitäten und die Unterstützung der USA entstanden - sowie durch die Unterstützung westlicher und einiger regionaler Länder, insbesondere Saudi Arabien und des zionistischen Regimes. Nachdem sie gesehen hatten, dass die syrische Regierung und ihre Anhänger die Krise überstanden hatten, war ihre Präsenz in Syrien umsonst und sie zogen daher ab. Ich glaube, dass der Rückzug der USA aus Syrien bedeutet, dass die Amerikaner endlich erkannt haben, dass sie in Syrien eine kostspielige Präsenz hatten, die nicht ihren Interessen dient. Nein, es ist nicht so, dass Andere die Präsenz des Iran in Syrien einschränken könnten. Der Iran wird der syrischen Regierung helfen, solange die syrische Regierung unsere Hilfe benötigt."

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