"Unsere multilaterale Ordnung sollte nicht bei der EU enden"

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Die sich wandelnden Kräfteverhältnisse auf der Welt machen aus Sicht der deutschen Kanzlerin eine Reform der großen internationalen Organisationen nötig, so Angela Merkel in Davos. Beim Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz "sehe ich vor mir noch keine globale Architektur"

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Die sich wandelnden Kräfteverhältnisse auf der Welt machen aus Sicht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel eine Reform der großen internationalen Organisationen nötig. Beim Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos sagte Merkel, die internationale Ordnung gerate unter Druck. Länder wie China und Indien beeinflussten die Weltwirtschaft inzwischen viel stärker. Die internationalen Organisationen müssten die neuen Kräfteverhältnisse widerspiegeln.

Solche Reformen seien schwierig, aber notwendig, sagte Merkel. Wenn ein bestehendes System zu langsam auf Veränderungen reagiere, bildeten sich parallele Institutionen wie etwa eine asiatische Investitionsbank als Gegengewicht zur Weltbank.

Zugleich warnte Merkel vor einer Wiederholung der Bankenkrise von vor mehr als zehn Jahren. Die Zinspolitik der großen Notenbanken zeige, «dass wir letztendlich immer noch an dieser Krise knabbern, dass wir immer noch nicht raus sind», sagte die Bundeskanzlerin.

Durch die Bankenkrise habe man sich Raum für mögliche kommende Aufgaben genommen und müsse deshalb möglichst schnell zur Normalisierung zurückkommen. «Wenn man ehrlich ist, steckt uns diese Krise heute noch in den Knochen», sagte Merkel. «Sie hat unglaublich viel Vertrauen gekostet in der Politik, aber auch im Bereich der
Wirtschaft, insbesondere im Finanzsektor.»

Merkel legte erneut ein klares Bekenntnis zum Multilateralismus ab - ohne die nationalistische Politik beispielsweise von US-Präsident Donald Trump zu erwähnen. Multilateralismus sei, «auch wenn es Mut erfordert, die Voraussetzung für unsere Politik». Es lohne sich, hier Gleichgesinnte zusammenzubringen, «weil alles andere uns ins Elend
führen wird».

"POPULISTISCHE HERAUSFORDERUNGEN"

Merkel wörtlich:

"Wir sehen es in all unseren Ländern. Wir haben populistische Herausforderungen , wir haben nationalistische Kräfte, und wir müssen dagegen antreten. Aber vielleicht macht das die Schlachtordnung auch klarer und stärker. Und deshalb werde ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland im Kabinett SEHR stark dafür einsetzen, dass unsere multilaterale Ordnung nicht bei der Europäischen Union endet, sondern dass es eine wird, die auch auf die NEUEN Herausforderungen wirklich gute Antworten gibt. Das setzt aber voraus, dass wir die bestehende Ordnung nicht so weit ruinieren, dass kein Mensch mahr an neue Leitplanken glaubt."

"Europa ist auf einem Weg, wo wir noch keine Garantie für den Erfolg haben. Weil wir natürlich ökonomischen Kräften gegenüberstehen, die, wie die Vereinigten Staaten von Amerika, sehr dominant sind. Und auf der anderen Seite ist China mit 1,3 Milliarden Einwohnern und bald vielleicht auch dem größten Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Welt  natürlich ein Faktor, gegen den man allenfalls vereint in Europa ankommt. Und deshalb suchen wir natürlich Verbündete, die unsere Ansichten teilen, ansonsten wird es sehr schwer werden."

Merkel sagte, eine «Vielzahl von Störungen und Verunsicherungen im multilateralen System» führten neben anderen Herausforderungen zu sinkenden Wachstumsprognosen durch den Internationalen Währungsfonds. Vor diesem Hintergrund solle das Forum in Davos einen Beitrag leisten, «besser mehr Sicherheit wieder in die Dinge hineinzubringen, als dass die Unsicherheit noch wachsen sollte».

DATEN UND KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ALS HERAUSFORDERUNGEN

Zu Beginn ihrer Rede hatte Merkel den internationalen Teilnehmern des Treffens versichert: «Ich darf Ihnen sagen, dass Deutschland wieder eine stabile Regierung hat und wir nach anfänglichen Schwierigkeiten auch gewillt sind, gut zu arbeiten.»
Zu den großen Herausforderungen der Zukunft zähle der Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz, sagte Merkel. Hier müssten ethische Leitplanken und Vorkehrungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte entwickelt werden. «Da sehe ich vor mir noch keine globale Architektur, um mit diesen Fragen umzugehen», sagte die
Kanzlerin. Sie könne sich aber auch nicht vorstellen, dass jede große Macht ihre eigenen Antworten finde.

su

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