Der einsame Kandidat

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In einem Ort in der Provence im Süden Frankreichs sollte gewählt werden, aber keiner wollte Kandidat sein. Ein Winzer stellte sich letztlich zur Wahl. Wir haben uns mit ihm getroffen.

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euronews reist im Vorfeld der Europawahl quer durch die Europäische Union und fragt die Bevölkerung nach ihrer Meinung. Diesmal besuchen wir einen Winzer in der Provence im Süden Frankreichs. Hier herrscht Politikverdrossenheit. Olivier Baguet entschloss sich, etwas für seinen Ort zu tun, als keiner wollte.

euronews: „Wir sind in Methamis, einem kleinen bezaubernden Ort in der Provence. Hier sprechen wir über die Politikverdrossenheit der Franzosen. Vergangenen Monat musste hier gewählt werden, nachdem vier Vertreter des Gemeinderates zurückgetreten waren. Aber niemand stellte sich zur Wahl. Also wurde die erste Wahlrunde gestrichen. Zwischen der ersten und zweiten Wahlrunde erklärte sich ein Winzer bereit, als Kandidat anzutreten. Olivier, erläutern Sie doch mal, warum Sie sich zur Wahl gestellt haben.“

Olivier Baguet: „Das war sehr merkwürdig. Ich war gerade nicht im Ort, sondern auf Weinmessen in Epinal und Lüttich. Ich war auf dem Weg nach Colmar. In den sozialen Medien habe ich ein Interview eines Radiosenders gelesen, in dem es hieß, dass es keinen Kandidaten gebe und dass die Wahl abgesagt worden sei. Ich bin Bio-Winzer, 2018 habe ich wegen einer Pflanzenkrankheit meine gesamte Ernte verloren. Im Herbst bin ich nicht auf Messen, ein Jahr lang habe ich Zeit. Ich hatte Lust zu helfen. Das Gemeinwohl ist mir wichtig. Also, los geht's, habe ich gesagt. Es sind Dinge zu erledigen und in Ordnung zu bringen. Es ist besser, etwas zu tun, als auf der Terrasse zu sitzen und sich zu beschweren, dass alles schlecht läuft."

„Was machen wir also?“

euronews: „Warum verlieren die Leute Ihrer Meinung nach ihr Interesse an der Politik?“

Baguet: „Das ist die ewige Frage. Die geringen Beteiligungen bei den Wahlen auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene zeigen es. Wohl nicht alle Kandidaten bewerben sich aus denselben Gründen wie ich. Sie versprechen uns Dinge. Zum Beispiel wollten die letzten drei französischen Präsidenten das Problem der Obdachlosigkeit bis zum Ende des Jahres lösen, sodass niemand mehr auf der Straße lebt. 15 Jahre später ist die Anzahl der Obdachlosen gestiegen. Was machen wir also? Entweder versprechen Sie etwas und halten es dann oder Sie versprechen es bitte nicht."

euronews: „Eine andere Wahl kommt auf uns zu, die Europawahl. Wie blicken Sie auf Europa?“

Baguet: „Ich sehe Europa als etwas Schönes und Großes, wenn es überleben will. Ich bin zehn Jahre nach dem Abschluss der Römischen Verträge zur Welt gekommen, in der Schule habe ich viel über die Freizügigkeit von Waren und Menschen gelernt. Heute bin ich Winzer: Wenn ich eine Kiste Wein ins Ausland verschicke, muss ich eine Zollerklärung ausfüllen und Gebühren zahlen. Was soll das? Das betrifft nur mein kleines Geschäft. Es gibt viele andere Themen. Für viele ist Europa ein Zwang, wir laden Europa alle Schuld auf. Selbst unsere Politiker schieben die Verantwortung weg und sagen: Das ist Europas Fehler. Und dennoch..."

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