Geplante Impfpflicht: Spahn will Strafen anpassen

Geplante Impfpflicht: Spahn will Strafen anpassen
Copyright REUTERS/Fabrizio Bensch
Copyright REUTERS/Fabrizio Bensch
Von Euronews mit dpa
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Mögliche Geldbußen bei Verstößen gegen die geplante Masern-Impfpflicht in Deutschland sollen nach den Worten von Gesundheitsminister Jens Spahn der jeweiligen Schwere entsprechen.

WERBUNG

Mögliche Geldbußen bei Verstößen gegen die geplante Masern-Impfpflicht sollen nach Worten von Gesundheitsminister Jens Spahn der jeweiligen Schwere entsprechen. "Wer hartnäckig und dauerhaft trotz mehrfacher Aufforderung einer Pflicht nicht nachkommt, der wird anders behandelt als jemand, der es einfach nur vergessen hat", sagte der CDU-Politiker am Montag in Berlin. In den seltensten Fällen dürfte überhaupt ein Bußgeld verhängt werden, weil die allermeisten Menschen wahrscheinlich nach einer ersten Aufforderung ihr Kind doch impfen lassen würden. In anderen Fällen sei dann nach der Verhältnismäßigkeit vor Ort zu entscheiden.

Spahn bekräftigte, dass es bei einer Impfpflicht zum Schutz der Gesundheit Sanktionen geben müsse. Das sei wie im Straßenverkehr, wenn man bei zu schnellem Fahren erwischt werde. Der Minister will verpflichtende Masern-Impfungen für Kita- und Schulkinder mit Bußen bis zu 2500 Euro und einem Ausschluss vom Kita-Besuch durchsetzen. Die Pflicht soll ab 1. März 2020 gelten, wie ein Gesetzentwurf vorsieht. Der Koalitionspartner SPD unterstützt die Pläne.

Mit der geplanten Pflicht zur Masern-Impfung für Kinder und bestimmte Berufsgruppen müssten sich nach einem Medienbericht rund 600 000 Menschen nachträglich impfen lassen. Das hätten Schätzungen des Gesundheitsministeriums ergeben, berichtete die "Bild"-Zeitung. Demnach befinden sich in Kitas und Schulen derzeit rund 361 000 nichtgeimpfte Kinder. In solchen Gemeinschaftseinrichtungen sowie in Krankenhäusern und Arztpraxen seien zudem schätzungsweise 220 000 Angestellte zur Impfung gezwungen. Spahn will eine Masern-Impfpflicht ab März 2020.

Der CDU-Politiker will damit die Masern ausrotten. Er hatte Vorschläge angekündigt, nun legt er konkrete Pläne vor. Wer an eine neue Schule kommt oder neu in einer Kindertagesstätte aufgenommen wird, müsse die Impfung nachweisen.

Für Kinder, die schon eine Schule oder Kita besuchen, müsse der Nachweis bis zum 31. Juli 2020 nachgereicht werden. Auch für Lehrer und Erzieher sowie Personal in medizinischen Einrichtungen soll diese Maßnahme gelten.

Montgomery: "Kann mir nicht vorstellen, dass man Kinder mit der Polizei zum Impfen schleppt"

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery befürwortet Spahns Pläne. Er hält Strafen für Verstöße generell für gerechtfertigt, kann sich aber Ausnahmen vorstellen. Der Präsident der Bundesärztekammer gab zu bedenken: "Eine Impfpflicht lässt sich leicht verlangen, aber ist schwer umzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Kinder mit der Polizei zum Impfen schleppt." Deshalb müsse man versuchen, mit Vernunft auf die Menschen einzuwirken - das bedeute vor allem mit Aufklärung. Er fügte hinzu: "Sie werden darüber hinaus aber auch an einigen Strafen nicht vorbeikommen."

Montgomery sagte weiter: "Man wird auch Kommissionen gründen müssen, die denjenigen Eltern und Kindern, die schwerwiegende Gründe gegen die Impfung haben - denn die gibt es auch -, ermöglichen, von einer Impfung abzusehen. Mir schwebt da so was vor wie früher bei der Wehrpflicht. Die galt auch für alle, aber es gab Kommissionen, die die Verweigerer anerkannten. So etwas brauchen wir auch für Impfungen."

Warum will Spahn eine Impfpflicht?

Im Gesetzesentwurf für die Impfpflicht heißt es, Masern gehörten zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten des Menschen. Oft käme es zu Komplikationen und Folgeerkrankungen. Masern seien keine harmlose Krankheit.

Um die Verbreitung der Infektionskrankheit zu vermeiden, müssten mehr als 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Diese Rate werde in Deutschland nicht erreicht. Das liege vor allem an einer "fortschreitenden Impfmüdigkeit".

Davon hatte auch die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet. Ihr zufolge haben sich die Masernfälle 2019 in den ersten drei Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum vervierfacht.

In diesem Jahr wurden in Deutschland schon mehrfach Schulen geschlossen, nachdem es zu Masernfällen kam. "Die bisherigen freiwilligen Maßnahmen zur Stärkung der Impfbereitschaft greifen nicht durch", heißt es in dem Gesetzesentwurf von Spahn. Unter anderem in Bayern, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen sei es in den letzten Jahren zu großen Ausbrüchen gekommen. Allein bis Anfang März 2019 seien dem Robert-Koch-Institut bereits 170 Masernfälle gemeldet worden. Auch in den USA gab es in diesem Jahr einen Masernhöchstwert.

Jüngst veröffentlichten Daten zufolge sind rund sieben Prozent der Schulanfänger in Deutschland nicht ausreichend gegen Masern geschützt. Bei der entscheidenden zweiten Impfung erreichen bisher nur Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die 95-Prozent-Quote. Das ging aus bei Schuleingangsuntersuchungen 2017 erhobenen Daten hervor, die das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte.

Der Referentenentwurf soll dem Vernehmen noch vor der Sommerpause vom Kabinett beschlossen werden. Bis Ende des Jahres soll der Bundestag zustimmen.

EU-Kommission kritisiert Spahns Pläne

Eine Impfpflicht ist kein Allheilmittel zur Eindämmung von Infektionskrankheiten wie Masern, findet die EU-Kommission. "Zwang ist nicht die einzige Lösung", sagte Vizepräsident Jyrki Katainen. "Es kann in einigen Ländern funktionieren, aber andere Organisationsformen des Impfens scheinen genauso wirksam zu sein."

Die benötigte Impfrate von 95 Prozent erreichten 2017 jedoch noch die vier EU-Staaten Schweden, Ungarn, die Slowakei und Portugal. Das teilte Katainen laut Medienberichten in einem Schreiben an das EU-Parlament mit. Schlusslichter seien demnach Frankreich, Österreich, Rumänien, Griechenland und Malta gewesen mit Raten unter 85 Prozent.

Jüngst veröffentlichten Daten zufolge sind rund sieben Prozent der Schulanfänger in Deutschland nicht ausreichend gegen Masern geschützt. Bei der entscheidenden zweiten Impfung erreichen bisher nur Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die 95-Prozent-Quote. Das ging aus bei Schuleingangsuntersuchungen 2017 erhobenen Daten hervor, die das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte.

Kinderärzte hatten sich dagegen dafür ausgesprochen, die Dreifachimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln zur Pflicht zu machen - anstatt im Zuge einer Masern-Impfpflicht zu Einfachimpfstoffen zurückzukehen.

Aktuelle Empfehlungen zur Masern-Impfung

Der erste Impfstoff wurde 1967 in Deutschland zugelassen. In der DDR wurde 1970 eine Pflichtimpfung eingeführt, in der Bundesrepublik eine Impfung ab 1974 empfohlen. Seit 1991 wird eine zweifache Impfung für alle Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahren empfohlen. Die aktuelle Empfehlung lautet, die erste Impfung im Alter von elf bis 14 Monaten und die zweite Impfung im zweiten Lebensjahr durchführen zu lassen.

WERBUNG

Masern sind extrem ansteckend und können in Einzelfällen noch Jahre später zu potenziell tödlichen Hirnentzündungen führen.

Wie halten es andere europäische Länder mit der Impfpflicht?

Eine Impfpflicht gegen Masern gibt es in zehn europäischen Ländern: Frankreich, Polen, Tschechien, Slowenien, Italien, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Lettland und Bulgarien.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Bundeskabinett beschließt Masern-Impfpflicht

2500 Euro Strafe: Berlin geht gegen Anti-Impfungs-Eltern vor

WHO: Masernfälle weltweit vervierfacht