Tripolis: Internierte Migranten sterben in der Kampfzone

Tripolis: Internierte Migranten sterben in der Kampfzone
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Von Anelise Borges, su mit dpa
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Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat wegen heftiger Kämpfe in Libyen die Evakuierung von Flüchtlingslagern nahe der Kampfzone um die Hauptstadt Tripolis gefordert. Seit sechs Wochen versuchen Chalifa Haftars Truppen, die Hauptstadt zu stürmen

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Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) hat wegen heftiger Kämpfe in Libyen die Evakuierung von Flüchtlingslagern in der Kampfzone um die Hauptstadt Tripolis gefordert. So hatten Ende April (23/04) Bewaffnete – vermutlich Anhänger des Militäroffiziers Chalifa Haftar - etwa 700 gefangene Migranten im Flüchtlingslager Kasr Bin Gashir beschossen und verletzt. Nach unterschiedlichen Angaben von Hilfsorganisationen sollen auch mindestens zwei Menschen getötet worden sein, andere sprechen von 7 Toten.

Aufnahmen von dem Angriff, verifiziert von „Ärzte ohne Grenzen“.

In Internierungslagern in Tripolis befinden sich nach Angaben von MSF etwa 3.000 Menschen. Chalifa Haftar, ein ehemaliger Befehlshaber unter Muammar al-Gaddafi, beherrscht seit 2017 mit militärischen Mitteln den Osten Libyens und bekämpft die „Regierung der nationalen Übereinkunft“ unter Fayiz as-Sarradsch in Tripolis. Seit sechs Wochen versuchen seine Truppen, die Hauptstadt zu stürmen.

Munir, ein Asylsucher aus Eritrea und sein siebenjähriger Sohn Murad haben alles mitangesehen:

„Bewaffnete Leute kamen rein und wollten unsere Handys und unser Geld. Wir wurden in 3 Gruppen aufgeteilt. Im ersten Raum nahmen sie Telefone und Geld mit. Im zweiten Raum betete gerade eine Gruppe von Christen mit ihrem Priester. Die Bewaffneten stürmten hinein und forderten sie auf, aufzuhören. Die sagten, sie würden das nicht machen. Da haben die Angreifer angefangen zu schießen. 18 oder 20 Menschen wurden von Kugeln getroffen. Die Menschen fingen an zu schreien. Da haben sie mit ihren Maschinengewehren in den Raum gehalten."

Sieben Menschen sollen bei dem Angiff getötet worden sein. Dutzende wurden laut Augenzeugen verletzt. Schätzungen zufolge gibt es in Libyen mehr als 20 Internierungszentren mit Migranten und Flüchtlingen, die beim Versuch, illegal nach Europa zu gelangen, festgenommen wurden und auf ihre freiwillige Rückführung oder Abschiebung warten. Mindestens fünf solche Zentren gibt es in und um Tripolis - sie waren seit Anfang April wiederholt den Kampfhandlungen ausgesetzt.

"DIE MENSCHEN SIND IN LAGERHÄUSERN INTERNIERT"

Euronews hat die libyschen Behörden um Zugang gebeten, um zu sehen, unter welchen Bedingungen diese Männer, Frauen und Kinder leben.

Humanitäre Organisationen sagen, die Lage sei schrecklich.

Sam Turner, Missionsleiter von Ärzte ohne Grenzen für Libyen:

„Die Internierungslager wurden nicht gebaut, um Menschen unterzubringen. Oft sind das Lagerhäuser, in denen heute statt Waren Menschen gelagert werden. Wir nennen sie manchmal Hangars, weil das große, lange, offene Räume sind, in denen hunderte Menschen reingestopft und eingeschlossen sind. Die Menschen schlafen auf dem Betonböden mit manchmal sehr dünnen Matratzen, und haben kaum Zugang zur Außenwelt.“

MUNIR FLÜCHTET WEITER

Nachdem sie den Angriff auf das Flüchtlingslager Kasr Bin Gashir überlebt hatten, flohen Munir und seine Familie weiter und fanden Zuflucht in einer Schule im Zentrum von Tripolis. Aber sie haben keine Ahnung, wie es weitergeht.

Munir, ein Asylsucher aus Eritrea:

„Ich kann mir kein Land aussuchen. Ich würde in jedes Land gehen, das mich nimmt. Ein sicheres Land, in dem meine Kinder eine Ausbildung bekommen können. Mein einziges Ziel ist, ein sicheres Land zu erreichen, in dem ich frei sprechen und meine Meinung sagen kann. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich in die USA, nach Kanada oder England gehen. Mein Traumziel wäre Kanada."

Kanada ist vorerst ein ferner Traum. Wenn die Kämpfe um Tripolis vorbei sind und die Schule wieder für Schüler geöffnet wird, werden Munir und seine Familie höchstwahrscheinlich wieder inhaftiert.

Und müssen sich weiter den Nöten einer Realität stellen, von der sie sich wünschten, sie sei nicht ihre.

Laut WHO (World Health Organization) wurden durch die jüngsten Kämpfe an die 60.000 Menschen heimatlos, mehr als 400 (443) starben und mehr als 2.000 (2.100) wurden verletzt.

su

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