Personalpoker in Brüssel: Wer wird Kommissionspräsident?

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Copyright Reuters / FRANCOIS WALSCHAERTS
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Von Anja BenczeCarolin Küter mit dpa
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An diesem Dienstag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um mit der Auswahl des neuen EU-Kommissionspräsidenten zu beginnen. Nicht alle Staaten halten das Prinizip, nach dem eineR der SpitzenkandidatInnen das Amt bekommt, für richtig.

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In Brüssel hat der Poker um die Besetzung der Spitzenämter begonnen. Am Abend trifft sich der Rat aus Staats- und Regierungschefs, um darüber zu beraten, wer Kommissionspräsident oder Kommissionspräsidentin wird. Das Europaparlament hat klar gemacht, dass es nur eineN der SpitzenkandidatInnen wählen wird. Dafür sprachen sich die Chefinnen und Chefs der Fraktionen aus. Das Parlament muss eine Entscheidung des Rats bestätigen. "Die Mehrheit hat klargemacht, dass an dem Spitzenkandidaten-Prozess als Orientierungspunkt nichts vorbeigeht", sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Udo Bullmann. Dies sei "ein klares Signal an den Europäischen Rat: Versucht es erst gar nicht."

Der CSU-Politiker Manfred Weber ist damit einen Schritt weiter auf dem Weg an die Spitze der EU-Kommission: Er sieht sich als Chef der größten Fraktion, der Europäischen Volkspartei, als Favorit. Die übrigen Parteien haben allerdings eigene Kandidaten. Und sie legten sich noch nicht auf Weber als Person fest. Grünen-Fraktionschefi Ska Keller sprach sich für eine Frau in dem Amt aus. Die Deutsche wäre eine der Kandidatinnen dafür. Zudem wird die Dänin Margrethe Vestager von den Liberalen (ALDE) als mögliche Kommissionspräsidentin gehandelt.

Machtkampf zwischen Merkel und Macron

Die beliebte Wettbewerbskommissarin hat ihre Kandidatur offiziell erst nach der Wahl erklärt, dabei war sie das Gesicht der ALDE im Wahlkampf. Sie spielt damit für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine wichtige Rolle, dessen Partei LREM Teil der Fraktion ist und der die Beratungen im Rat über die Vergabe des Spitzenposten laut Beobachtern auch zum Ausbau der französischen Führungsrolle in Europa nutzen will - als Gegenpol zu einer angesichts ihrer auslaufenden Amtszeit geschwächten Angela Merkel. Die deutsche Kanzlerin erklärte am Dienstag kurz vor dem Gipfel noch einmal ihre Unterstützung für den CSU-Mann Weber. Dieser ist jedoch durch den Stimmenverlust der Christdemokraten bei der Wahl alles andere als gesetzt.

Macron ist einer der Staats- und Regierungschefs, die erklärte Gegner des Prinzips der Spitzenkandidaten sind. Auch viele osteuropäische Staaten halten nichts von dem Konzept. Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Polen wollen offenbar Maros Sefcovic unterstützen, wie die tschechische Zeitung "Hospodarske Noviny" berichtet. Der Slowake ist einer der sieben Vize-Kommissionspräsidenten. Er gilt allerdings als wenig aussichtsreicher Kandidat.

Wer wird also EU-Kommissionspräsident?

Weber kündigte nach dem Treffen der Parlamentsfraktionen an, seine Partei sei bereit zu allen "nötigen Kompromissen", um den Posten zu besetzen. Eine wichtige Rolle könnte der Streit um "Fidesz" aus Ungarn spielen: Die Partei des umstrittenen ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán wurde vor der Wahl aus Webers EVP-Fraktion suspendiert. Sie holte bei den Wahlen 13 Sitze und könnte sich im neuen Parlament einer neuen Fraktion aus Rechtspopulisten anschließen. Weber machte sich mit der Kritik an Fidesz erwartungsgemäß wenig Freunde in der Partei. Auf der anderen Seite stehen die Kritiker der rechtsnationalen ungarischen Regierung: Pascal Canfin, Kandidat der Macron-Partei LREM sagte am Dienstag im Sender France Inter, die Liberalen könnten eine Koalition mit der EVP nur akzeptieren, wenn Fidesz aus der EVP ausgeschlossen werde. Weber als Kandidat sei jedoch "disqualifiziert".

Europäische Staats- und Regierungschefs, die ihre Macht behaupten wollen, ein europäisches Parlament, das sich aufgrund der hohen Wahlbeteiligung gestärkt sieht und ein generell fragmentierteres Parlament mit weniger großen und mehr kleinen Parteien: Die Besetzung des PräsidentInnenpostens könnte Monate dauern, so Experten. "Das wird sich wahrscheinlich hinziehen", so der Politikwissenschaftler Nicolai von Ondarza gegenüber der Deutschen Presse Agentur. "Wir haben eben ein komplexes Ergebnis." Er glaube, es sei "sehr sportlich, was Angela Merkel gesagt hat, dass wir im Juli tatsächlich schon wissen, wer Kommissionspräsident wird."

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