Homosexuelle hoffen nach Entkriminalisierung auf "friedliches" Leben

Homosexuelle hoffen nach Entkriminalisierung auf "friedliches" Leben
Copyright Caine Youngman
Von Anne Fleischmann
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Homosexuelle hoffen nach Entkriminalisierung auf "friedliches" Leben

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In Botsuana ist Homosexualität seit dieser Woche legal - in vielen anderen afrikanischen Ländern dagegen noch nicht. Euronews hat mit Caine Youngman gesprochen. Er ist Advocacy Manager bei LEGABIBO, der Organisation für die LGBTI-Gemeinschaft in Botsuana, und bezeichnet sich selbst als "der Vater und die Mutter der Gemeinschaft".

Rechtliche Lage in Botsuana

Das höchste Gericht des Landes hat ein Gesetz aufgehoben, das gleichgeschlechtlichen Verkehr mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestrafte. Das Gesetz stammte noch aus der Kolonialzeit. Das ist in vielen afrikanischen Ländern heute noch der Fall.

Sie haben Gesetze, die die Kolonialmächte eingeführt haben. Nachdem die Länder dann unabhängig wurden, wurden die Gesetze jedoch nicht geändert. Tatsächlich belegen Wissenschaftler, dass Homosexualität in vielen afrikanischen Kulturen bis zur Ankunft der Kolonialherren normal und akzeptiert war, beispielsweise in Nigeria.

Caine Youngman
Vor der Verkündung des GerichtsCaine Youngman

Fundamentalistische Kirchen wie die US-amerikanischen Evangelikalen haben in vielen Ländern wie Botsuana oder auch Uganda zur negativen Einstellung gegenüber Homosexuellen beigetragen. So gewannen sie Einfluss auf Politik und Bürger, die den Hass auf Homosexuelle übernahmen. Hass, Gewalt und Homophobie sind noch heute in vielen Ländern Afrikas Normalität.

Religion spielt eine große Rolle beim Verbreiten von Homophobie. Auch in Botsuana sind die Mehrheit der Menschen Christen.

In über 30 der 54 afrikanischen Staaten ist Homosexualität nach wie vor illegal. Mögliche Strafen reichen von Geldbußen über Gefängnis bis hin zur Todesstrafe in einigen Ländern, wie dem Sudan oder in Mauretanien.

In Botsuana hatte ein Student den Fall vor Gericht angestoßen. Aus Sicherheitsgründen sind nur die Initialen "LM" bekannt. Die Organisation LEGABIBO fühlte sich verantwortlich und stand dem jungen Mann zur Seite. "Es ist unser Auftrag, der LGBTI-Gemeinschaft zu helfen. Deshalb wollten wir uns an dem Fall beteiligen. Wir haben dem Gericht erklärt, dass dieser Fall über diese eine Person hinausgeht. Der Fall betrifft eine riesige Gemeinschaft", sagt Caine.

Was ändert sich nun für die LGBTI-Gemeinschaft?

Die Entscheidung des Gerichts ist laut Caine eine große und laute Botschaft an den Rest des Landes: Die Bürger Botsuanas sollen nicht diskriminieren. "Sie dürfen die LGBTI-Gemeinschaft nicht verletzen und behaupten, dass es ihr Recht ist, das zu tun", erklärt Caine. "Es ist jetzt verfassungswidrig. Die Aufhebung des Gesetzes ist also gleichzeitig eine Warnung an die botsuanische Bevölkerung."

Denn obwohl sich Caine zufolge die meisten Botsuaner um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und selten einmischen, gab es immer wieder Zwischenfälle. "Wir wissen beispielsweise von lesbischen Frauen, die vergewaltigt wurden. Die meisten von ihnen zeigen den Vorfall jedoch nicht an. Sie glauben, dass ihnen gesagt wird, sie seien selbst schuld daran. Und sie haben Angst, dass sich das Bekanntwerden ihrer Sexualität negativ auf andere Lebensbereiche auswirkt. Niemand will eine lesbische Frau oder einen schwulen Mann einstellen."

Caine glaubt, dass sie nach der Entscheidung des Gerichts nun viel ändern wird. "Botsuaner gehorchen dem Gesetz", erklärt er.

Trotzdem wollen er und LEGABIBO ihre Bemühungen verstärken, über die Rechte der LGBTI-Mitglieder im ganzen Land aufzuklären. Denn obwohl das Gesetz abgeschafft wurde, ist Homophobie in vielen Köpfen noch fest verankert. "Wir müssen hart arbeiten, damit die Bevölkerung im gleichen Tempo wie das Gesetz voranschreitet. Das Gesetz hat sich jetzt so plötzlich geändert. Unsere Arbeit besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung damit Schritt hält", sagt Caine.

So arbeitet LEGABIBO

Die Organisation LEGABIBO hat zwei Büros. Eines davon befindet sich in der Hauptstadt Gabarone, das andere in Francistown. Zusätzlich gibt es im ganzen Land verteilt Mitarbeiter, die in verschiedene Dörfer und Gemeinden reisen, um Mitglieder der LGBTI-Community zu identifizieren. Zusammen mit ihnen wird diskutiert und ein Repräsentant für die Region gewählt.

LEGABIBO

Der Repräsentant durchläuft dann ein Training, lernt die Gesetze und Rechte der LGBTI-Community in Botsuana. Was man im Fall von Gewalt und Übergriffen macht. Aber auch, wie man am besten über HIV und sexuelle Gesundheit aufklärt.

"Wir haben uns so organisiert, weil jemand, der in Gabarone wohnt, nicht die Community in einem Dorf 700 Kilometer von hier kennt. Man kennt die Gewohnheiten nicht. Die Menschen kennen ihre eigenen Gemeinden am besten. Und können so auch am besten aufklären und sich für die LGBTI-Community einsetzen", erklärt Caine.

Deswegen hält LEGABIBO auch nichts von direkter, internationaler Hilfe, erklärt Caine weiter. "Unsere Regierung reagiert verärgert, wenn ihnen jemand von außen sagen will, was sie tun sollen. Wir ziehen es vor, das als Botsuaner selbst zu tun und zu erklären, was wir wollen."

Jetzt, mit der Abschaffung des Gesetzes, will LEGABIBO die Arbeit mit den Gemeinden intensivieren. "Viele wissen vielleicht noch gar nicht, dass sich die rechtliche Lage geändert hat", erklärt Caine. "Wir wollen sichergehen, dass alle darüber Bescheid wissen und Verstöße melden."

Zudem arbeitet LEGABIBO mit Lehrern, Eltern, der Polizei und Politikern. "Jugendliche outen sich nun schon sehr früh, wenn sie noch in der Schule sind. Sie werden dann oft extrem gemobbt. Die Lehrer helfen dabei eher wenig. Sie fragen 'Wieso verhältst du dich als Mädchen wie ein Junge?' oder 'Wieso verhältst du dich als Junge wie ein Mädchen?'.

Caines Geschichte

Caine identifiziert sich als schwuler Mann. Er hat sich schon früh geoutet und ist in einer Beziehung. Caines Partner Felix lebte vier Jahre und zwei Monate in Botsuana. Dort trafen sich die beiden. Doch dann endete Felix Vertrag und er musste gehen. Momentan ist Felix in Deutschland, Caine in Botsuana. Sobald Caine zu Ende studiert hat, wollen die beiden gemeinsam in ein anderes Land gehen.

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Caine Youngman
Caine und sein Partner FelixCaine Youngman

Seine Familie hat ihn immer unterstützt, erzählt Caine. Er schätzt sich sehr glücklich, denn er weiß: Nicht allen ging es so wie ihm. "Als ich noch jung war und bei meinen Eltern wohnte, hatten wir öfter Jugendliche bei uns, die von zuhause rausgeflogen waren oder zusammengeschlagen worden sind", erinnert er sich. "Meine Eltern haben ihre Türen viele Jahre lang für die LGBTI-Gemeinschaft geöffnet. Mein Zuhause war eine Art Notfallzentrum für unsere Gemeinschaft."

Und das obwohl - oder gerade weil - seine Familie sehr christlich ist. Caine weiß, dass viele Religion als Vorwand für Homophobie nutzen. Er sagt, er wurde mit dem Glauben an Jesus Christus erzogen. "Meine Familie glaubt daran, dass Jesus Christus Liebe bedeutet. Er hat immer dazu aufgerufen, sich gegenseitig zu akzeptieren und uns so zu lieben, wie er uns geliebt hat."

In Botsuana - und auch in anderen afrikanischen Ländern - glauben die Menschen, dass Homosexuelle versuchen würden, Kinder zu rekrutieren. "Das ist natürlich nicht wahr", erklärt Caine. "Daran ändert auch das aufgehobene Gesetz nichts. Es waren die Evangelikalen, die diese Gerüchte verbreitet und den Leuten erzählt haben, dass wir ihre Kinder als Homosexuelle rekrutieren und mit ihnen schlafen wollen."

Es ist Caine wichtig, diesem Irrglauben entgegen zu wirken. "Die Entscheidung des Gerichts verleiht uns keine überlegenen Rechte. Wir haben nicht mehr Rechte als jeder andere auch. Die Entscheidung gibt uns die gleichen Rechte, die der Rest der Bevölkerung schon immer hatte. Nämlich friedlich unser Leben zu führen."

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