FPÖ: Historikerstreit um 1200 Seiten Parteigeschichte

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Von Hans von der Brelie
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FPÖ: Historikerstreit um 1200 Seiten Parteigeschichte. Studie oder Persilschein? Österreich diskutiert die Frage der Rechtslastigkeit der FPÖ.

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Die österreichische FPÖ, 1956 als Zusammenschluss von Liberalen und ehemaligen Nazis gegründet, hat nun in Wien den Vorbericht einer von ihr eingesetzten Historikerkommission vorgestellt.

Die Studie war Anfang 2018 nach der sogenannten Liederbuchaffäre in Auftrag gegeben worden, es ging um antisemitische Trinklieder der Burschenschaft Germania und andere Zwischenfälle.

Brauneder: Eine Partei wie jede andere

Wilhelm Brauneder stand an der Spitze des Historikerkomitees der FPÖ. Er versucht zusammenzufassen: "Es ist jetzt schwierig, über 1200 Seiten, ich glaube, es sind sogar ein bisserl mehr, ein kurzes Résumé zu geben. Hätten sie gerne. Was sag ich jetzt bloß? Das, was ich schon gesagt habe: Im wesentlichen ist die FPÖ eine Partei wie jede andere, Plus/Minus, besonders heutzutage."

Der Bericht der FPÖ-Historikerkommission wirft politischen Gegnern aber auch Medien vor, Einzelfälle aufzubauschen. Diese "Einzelfälle" könnten aber nicht auf die Haltung der gesamten FPÖ übertragen werden. Unabhängige Beobachter halten dem entgegen, dass die Liste dieser "Einzelfälle" recht lang ist.

Radikalisierung der Sprache

Hinzu kommt - wenn man rückblickend die vergangenen Jahre betrachet - dass sich die im öffentlichen und halböffentlichen Raum verwendete Sprache in Österreich verändert hat hin zu einer Radikalisierung.

Rassistisches Rattengedicht

Anti-FPÖ-Demonstranten in Wien beziehen sich mit ihrem bei Kundgebungen gelegentlich gezogenen Nazi-Vergleich auch auf das rassistische "Rattengedicht", das in einem FPÖ-Parteiblatt ausgerechnet in Braunau, dem Geburtsort Adolf Hitlers, verteilt worden war- und zwar am Geburtstag des sogenannten "Führers". Auch dies kein lange zurückliegender Sachverhalt; der Skandal ereignete sich im Frühjahr 2019.

Weidinger: Wir stufen die FPÖ als rechtsextrem ein

Im Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstands fragte Euronews Extremismusforscher Bernhard Weidinger nach seiner wissenschaftlichen Einschätzung. Muss man die FPÖ als rechtspopulistisch oder als rechtsextrem bezeichnen?

Dr. Bernhard Weidinger: "Grundsätzlich steht die FPÖ soweit rechts, dass sowohl inhaltliche wie auch personelle Überschneidungen auch zum außerparlamentarischen Rechtsextremismus, auch Neonazismus, fast zwangsläufig sind. Wir stufen die FPÖ als rechtsextrem ein, aus verschiedenen Gründen. Da wären zum Einen ihre internationalen Kontakte zu entsprechenden Parteien und Gruppierungen, die wiederholten Auftritte einzelner Parteienvertreter bei rechtsextremen Organisationen, die Förderung rechtsextremer Publikationen in Österreich, die systematische Rahmung aller möglichen Probleme als Ausländerprobleme."

Verstrickungen zu Identitären

So gab es in jüngster Vergangenheit vermehrt Berichte über Verstrickungen zwischen FPÖ und sogenannten "Identitären". Ein Beispiel: Zur Zeit Heinz-Christian Straches als Vizekanzler arbeitete im von Strache geführten Sportministerium ein Mann aus dem Umkreis des Führungskaders der Identitären.

Studie oder Persilschein?

Die nun in kurzen Ausschnitten vorgestellte FPÖ-Studie betont hingegen, dass seit 1983 kein Altnazi mehr für die Partei im österreichischen Parlament vertreten sei. Zwar wurde jetzt erst ein zusammenfassender Zwischenbericht vorgelegt, doch bekommt man den Eindruck, dass hier eine Art pseudowissenschaftlicher "Persilschein" der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

"So etwas Unprofessionelles hat es noch nicht gegeben", sagte Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien im ORF. Dass die Fakultät nicht beigezogen worden sei und die Mitglieder der FPÖ-Kommission anfangs nicht genannt wurden, sei "unüblich" und "widerspricht den wissenschaftlichen Standards wie Transparenz und Nachvollziehbarkeit".

Wissenschaftlersuche in Israel

Die FPÖ sucht nun, vor Veröffentlichung des gesamten Berichtes, nach einem Wissenschaftler in Israel, der die über tausend Seiten bewerten soll. Zeithistoriiker Rathkolb bezeichnete dies als "politisches Manöver". Umgekehrt wirft auch die FPÖ Rathkolb"parteipolitische Einfärbung" vor.

Unlängst beschäftigte sich auch die Wiener Zeithistorikerin Margit Reiter mit den "braunen Wurzeln" der FPÖ. Wer sich in das Thema einlesen möchte, dem kann folgender Link zur Tageszeitung Der Standard empfohlen werden. Auch der Twitter-Account von "FPÖ Watch" bietet weitere Informationen über historische und aktuelle Verstrickungen der FPÖ mit Alt- und Neonazis.

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