AfD-Scharfmacher Kalbitz (46) - Rechtsextreme Vergangenheit vertuscht?

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Von Kirsten Ripper mit dpa, rbb
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Der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg war in verschiedenen rechtsextremen Vereinigungen - doch an vieles kann sich Andreas Kalbitz auf Nachfrage nicht erinnern.

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Der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz (46), ist der Politiker, der seine Bekanntheit durch den Landtagswahlkampf in diesem Sommer am meisten steigern konnte. Vorher stand der ehemalige Fallschirmjäger aus Bayern meist im Schatten des bundesweit bekannteren AfD-Chefs aus Thüringen, Björn Höcke. Kalbitz gehört auch Höckes Rechtsaußengruppierung "Der Flügel" an und war oft - wie am 1. September 2018 in Chemnitz - an dessen Seite zu sehen.

Auf dem Kyffhäuser Treffen des "Flügel" Anfang Juli sprach Kalbitz vom drohenden Verlust von Tradition, Heimat und Identität und warnte vor dem "Kalifat": "Mein abbezahltes Reihenhaus ist im Kalifat ganz genau gar nichts wert." Journalisten durften an der Veranstaltung nicht teilnehmen, die Reden wurden aber im Livestream im Internet übertragen.

Im Interview mit dem türkischen Sender TRT sagt Andreas Kalbitz, seine Partei habe keine rechtsextremistischen Aussagen, er kenne persönlich keine Flüchtlinge, aber er habe etwas "gegen den Effekt, der dadurch entsteht".

Der deutsche Verfassungsschutz hat den "Flügel" als rechtsextremistischen "Verdachtsfall" eingestuft - und kurz vor der Wahl gibt es weitere Hinweise auf Kalbitz rechtsextreme Aktivitäten.

Im rechtsextremen Sommerlager: "ein bisschen härter drauf als die meisten"

So war Kalbitz laut ARD-Magazin KONTRASTE und rbb-aktuell offenbar 1993 im Sommerlager des rechtsextremen Vereins "Die Heimattreue Jugend e.V." in der Nähe von Mittelsömmern in Thüringen. Die ARD-Reporter haben einen Zeugen ausfindig gemacht, der sich an den jungen Mann aus München erinnert. Dietwald Claus, der inzwischen aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen ist, beschreibt Kalbitz als "Scharfmacher" und sagt: "Er war ein bisschen härter drauf als die meisten".

Zudem soll Kalbitz 2007 an einem Pfingstlager des Neonazi-Vereins, der heute "Heimattreue deutsche Jugend" (HDJ) genannt wird, teilgenommen haben. Dazu sagte er 2018: "Ich war als Gast dort, mutmaßlich, um mir das mal anzuschauen. Ich sehe da kein Problem."

Der SPIEGEL berichtet auch, dass Andreas Kalbitz zusammen mit NPD-Funktionären 2007 zu einem Aufmarsch der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" nach Athen gereist war.

Der ehemalige Fallschirmjäger der Bundeswehr war in jungen Jahren bei der CSU, ab 1994 bei der rechtsextremen Partei "Die Republikaner". Seit 2013 ist Kalbitz bei der AfD. Sein Privatleben hält der Vater von drei Kindern, der mit einer Britin verheiratet ist, vor der Öffentlichkeit verborgen. Doch er gab Anfang August gegenüber der Märkischen Allgemeinen zu, dass er an Dokumentarfilmen seines 2006 verstorbenen Schwiegervaters über Adolf Hitler mitgearbeitet hatte. Diese Filme werden von Historikern als "Hitler-Verherrlichung" eingestuft.

"Sektenartig organisierte Gefolgschaften"

Probleme mit der weit rechts einzustufenden Haltung von Kalbitz haben aber sogar andere AfD-Politiker. Im November 2018 war der Brandenburger AfD-Politiker Steffen Königer wegen ideologischer Differenzen mit dem rechten Flügel aus der Partei ausgetreten.

Der Brandenburger Landtagsabgeordnete erklärte damals: "Die Bürgerlichen in der AfD haben den Kampf gegen die Destruktiven in der Partei in vielen Landesverbänden endgültig verloren." Königer beklagte den "Aufbau von sektenartig organisierten Gefolgschaften", in denen Treue höher stehe als Sacharbeit. Der Brandenburger AfD-Chef Kalbitz sagte dazu nur, Steffen Königer sei aus der Partei ausgetreten, weil er Angst um sein Mandat habe. Königer hatte sich erfolglos um einen Listenplatz der AfD für die Europawahl beworben.

Kritik an AfD-Kampagne mit Willy Brandt und "Wende 2.0"

Kritik zog die AfD in Brandenburg auf sich, weil sie ein Bild des früheren sozialdemokratischen Kanzlers Willy Brandt (1913-1992) auf einem ihrer Poster abgedruckt hatte. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse nannte die Berufung der AfD auf Willy Brandt einen "groben Missbrauch und schlicht obszön".

Thierse kritisierte zudem die Berufung der rechtspopulistischen Partei auf die DDR-Bürgerrechtsbewegung. "Die Gleichsetzung der Bundesrepublik von heute mit der DDR von damals ist eine unglaubliche Verharmlosung der DDR."

Mit Slogans wie "Wir sind das Volk!" oder "Vollende die Wende" fährt die AfD eine Kampagne unter dem Motto "Wende 2.0". Viele Hoffnungen der Ostdeutschen in die "erste Wende" (1989/90) hätten sich nicht erfüllt, heißt es aus der Partei.

In seinen Reden vergleicht Kalbitz die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF mit der "Aktuellen Kamera" der DDR - dabei lebte er bis 2005 in Westdeutschland. Und er benutzt - wie der Tagesspiegel berichtet - das Argument, man dürfe seine Meinung heute nicht sagen: "Fangen Sie wieder an, Ihre Meinung zu sagen“, ruft er in Peitz. „Unglaublich, dass man das sagen muss, 30 Jahre nach der Wende.“

Kalbitz gegen "Fridays for Future"

Im Landtag in Potsdam nannte Andreas Kalbitz bei einem Treffen mit Erstwählern die Klimaaktivistin Greta Thunberg ein "zopfgesichtiges Mondgesicht-Mädchen“. Damit outet sich der AfD-Politiker als Sinnesgenosse derer, die die 16-jährige Schwedin in den sozialen Netzwerken anfeinden.

In Brandenburg dürfen junge Leute schon mit 16 wählen. Die Beleidigung von Greta war seine Antwort auf die Rede einer Schülerin, die ihn mit Fakten zum Vogelsterben konfrontiert hatte. Zudem antwortet Kalbitz einem 15-jährigen Schüler, der ihn fragte, war er von Björn Höcke halte, der "ja ziemlich offen ein Nazi sei" mit den Worten: "Tut mir leid, dass Sie so verblendet sind durch die Dauer-Rotlichtbestrahlung, die Sie an der Schule bekommen.“

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