Österreich wählt an diesem Sonntag einen neuen Nationalrat. Doch der Skandal um das Ibiza-Video wurde von anderen Themen abgelöst. Johannes Pleschberger fasst zusammen, worum es bei der Wahl geht.
Einige nennen ihn den größten Polit-Skandal, den Österreich je gesehen hat. Immerhin hat er das Parlament dazu veranlasst, zum ersten Mal eine Regierung abzusetzen. Trotzdem scheint das Ibiza-Video rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kein zentrales Thema mehr zu sein. Vielmehr dominierten Parteispenden und – erstmalig in dieser Form – der Klimawandel den bisherigen Wahlkampf. Euronews hat die zehn wichtigsten Punkte zusammengefasst:
1. Schlechtes Timing
Der Wahlkampf war bislang sehr uneinheitlich, meint Politikberater und PR-Fachmann Stefan Sengl im Interview mit Euronews. „Angefangen hat es sehr hektisch und konfliktreich durch die Ibiza-Affäre und die Abwahl der Regierung Kurz. Dann ist der Wahlkampf durch die österreichischen Sommerferien fast im Dämmerschlaf versunken.“ Da blieb den Parteien nichts anderes übrig, als auf den September zu warten. Der hat es dafür aber in sich.
2. Schon wieder eine TV-Debatte
Nach den ruhigen Sommermonaten kam „ein Dauerfeuerwerk von unzähligen TV-Duellen, wo sich manche Kandidatinnen und Kandidaten untereinander wahrscheinlich öfter sahen als ihre Lebensgefährtinnen und -gefährten“, meint Sengl.
Die österreichische Presseagentur APA hat die zahlreichen TV-Duelle und sogenannten Elefantenrunden auf den Sendern ORF, ATV, Puls4 und ServusTV analysiert, um eine Liste der meistdiskutierten Themen zu erstellen.
3. So ein Wahlkampf, der kostet
Eindeutig das meistdiskutierte Thema im österreichischen TV-Wahlkampf war die Parteienfinanzierung. 72 Stunden wurde laut APA darüber debattiert. Dabei ging es aber weniger um das Ibiza-Video, das in den letzten Wochen interessanterweise kaum noch ein großes Thema war, sondern vielmehr um neue Enthüllungen rund um Geldspenden und Gefälligkeiten.
Auch für Sengl war es eines der stärkeren Themen im Wahlkampf, ausgelöst vor allem durch die aufgedeckten Großspenden für die Kurz-ÖVP und deren vorsätzliche Wahlkampfkostenüberschreitung.
4. Die verflixte Spesenabrechnung
Nicht nur unverhältnismäßig große Geldspenden an Parteien, sondern auch unverhältnismäßig große Spesenabrechnungen von Politikern sorgten zuletzt für Aufregung.
In der Spesenaffäre rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt bestätigt, dass gegen Strache wegen Untreue ermittelt wird. Der Verdacht: Seit mehreren Jahren seien Privatausgaben von Strache mithilfe von Scheinbelegen der Freiheitlichen Partei verrechnet worden.
5. Auch die Identitären mischen mit
Vor einigen Tagen machte zudem die Tageszeitung „Österreich“ publik, dass der ehemalige Kabinettchef von Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in intensivem Kontakt mit dem Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung gewesen sein soll. Die Zeitung zitierte aus einem nicht veröffentlichten Zwischenbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.
6. Da war ja noch der Klimawandel
Politikberater Stefan Sengl ist davon überzeugt, dass erstmals in einem österreichischen Wahlkampf auch der Klimawandel eine größere Rolle gespielt hat. Die APA gibt ihm recht: Klima- und Umweltpolitik belegen mit 68 Minuten den zweiten Platz im Themenranking. Vor allem über CO2-Steuer, Verkehr und Fleischkonsum wurde intensiv diskutiert. Alle Spitzenkandidatinnen und -kandidaten räumten dem Klima-Thema viel Platz in ihren Argumentationen ein.
Sengl hat allerdings den Eindruck, „dass dieses Thema im Finale wieder ein wenig in den Hintergrund rückt, was vielleicht daran liegt, dass die Temperaturen inzwischen etwas herbstlicher geworden sind.“
7. Wie tief kann man sinken
Im Laufe des Wahlkampfs kamen also einige kleine und mitunter auch größere Korruptionsskandale ans Tageslicht. „Im Getöse der zahlreichen TV-Konfrontationen wurden diese aber kaum sachlich und gründlich behandelt. In Summe ist das Gesamtbild kein Schönes und das Ansehen der Politik wird dadurch eher nicht verbessert worden sein“, kritisiert Sengl.
8. The Winner Takes It All
Ein intensiver Wahlkampf für die einen, ein gelaufenes Rennen für die anderen. Bereits seit Monaten führt Sebastian Kurz die Umfragen, und das mit einem Vorsprung von 10-15 Prozent. Dass er wieder Kanzler wird, daran zweifeln mittlerweile nur noch wenige. Und ohne echtem Kanzlerduell, meinen Experten, war der Wahlkampf eigentlich ereignislos.
9. Wer will mit wem?
Den dritten Platz im Themenranking der TV-Konfrontationen belegen die Koalitionspräferenzen der Parteien.
Dabei sind laut Experten folgende drei Varianten am wahrscheinlichsten realisierbar: Eine Neuauflage von ÖVP und FPÖ, ein erstmaliges Dreier-Experiment aus ÖVP, Grüne und Liberale oder aber eine große Koalition de ÖVP mit der SPÖ.
10. Wahlmüdigkeit
Am 29. September ist es so weit. Österreich wählt einen neuen Nationalrat und damit auch den nächsten Bundeskanzler (oder, falls die Umfragen doch daneben liegen, eine Bundeskanzlerin).
Aber gerade wegen dieses festgefahrenen Wahlkampfes rund um Sebastian Kurz ohne einer echten Kanzlerkonkurrenz befürchten Beobachter, dass die Wahlbeteiligung bei dieser Wahl zurückgehen wird.
Ob all die Expertenmeinungen und Umfragen richtig liegen, werden wir am Sonntag sehen. Erste Hochrechnungen gibt es kurz nach 17 Uhr.
Euronews berichtet im Liveblog vom Wahlabend.