Merkel zum 3. Oktober: Einheit bis heute nicht vollendet

Merkel zum 3. Oktober: Einheit bis heute nicht vollendet
Copyright REUTERS/Morris Mac Matzen
Copyright REUTERS/Morris Mac Matzen
Von euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Die deutsche Kanzlerin hat beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit für mehr Verständnis zwischen Ost und West geworben. In Ostdeutschland folgte für viele auf die "Last der Teilung die Wucht der Einigung".

WERBUNG

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit für mehr Verständnis zwischen Ost und West geworben. In den alten Ländern hätten viele die Wiedervereinigung als Zuschauer erlebt, in den neuen Ländern sei die Nachwendezeit für viele nicht nur positiv gewesen. Die reine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage führe nicht automatisch zu einer Identifikation mit Demokratie. "Wir müssen lernen zu verstehen, was es für den Einzelnen bedeutete, als auf die Last der Teilung die Wucht der Einigung folgte", so Merkel in Kiel.

Weiter sagte sie: "Denn zur Bilanz nach 29 Jahren deutscher Wiedervereinigung gehört auch, dass sich die Mehrheit der Ostdeutschen in der Bundesrepublik als Bürger zweiter Klasse fühlt, wie repräsentative Umfragen zeigen. Danach halten weniger als 40 Prozent der Ostdeutschen die Wiedervereinigung für gelungen. Bei Menschen unter 40 sind es sogar nur 20 Prozent. Weniger als die Hälfte ist mit der Demokratie in Deutschland zufrieden."

Die staatliche Einheit sei vollendet. "Die Einheit der Deutschen, ihr Einigsein, das war am 3. Oktober 1990 noch nicht vollendet, und das ist es bis heute nicht."

Zugleich warnte die Ostdeutsche davor, die Ursache für Schwierigkeiten und Widrigkeiten ähnlich wie zu DDR-Zeiten vor allem und zuerst beim Staat und den sogenannten Eliten zu suchen. Freiheit hänge mit der Verantwortung des Einzelnen für eigene Entscheidungen zusammen. Merkel: "Niemals darf konkretes politisches Handeln, sei die Enttäuschung darüber auch noch so groß, als Legitimation dafür akzeptiert werden, andere wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung auszugrenzen, zu bedrohen oder anzugreifen."

Auch Schleswig-Holsteins Regierungschef und Bundesratspräsident Daniel Günther (CDU) warb für mehr Verständnis. Die Lebensläufe und biografischen Brüche der Ostdeutschen in zwei aufeinanderfolgenden Diktaturen seien seit der Wende zu wenig berücksichtigt worden.

Die Einheitsfeier, an der unter anderem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble teilnahmen, begann am Vormittag mit einem Gottesdienst in der Kieler St. Nikolai Kirche.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Ostdeutschland hat so wenige Einwohner wie zuletzt 1905

Dichter, Denker, Intellektueller: Hans Magnus Enzensberger mit 93 gestorben

"Miteinander auf Augenhöhe": Keine ausgelassene Stimmung bei Einheitsfeier