Ursula von der Leyen warnt Boris Johnson: "Brexit"-Deal bis Ende 2020 "im Grunde unmöglich"

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Von Vincent McAviney, su mit dpa
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Bei ihrem ersten Treffen als EU-Kommissionspräsidentin mit Premierminister Boris Johnson hatte Ursula von der Leyen drei „Brexit“-Botschaften: Der EU-Austritt löse keine Probleme, für enge Beziehungen müsse London Zugeständnisse machen und die Zeit zur Klärung der künftigen Partnerschaft sei zu kurz

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Es war ein Antrittsbesuch mit klarer Ansage: Bei ihrem ersten Treffen als EU-Kommissionspräsidentin mit dem britischen Premierminister Boris Johnson hatte Ursula von der Leyen „Brexit“-Botschaften im Gepäck: Der EU-Austritt löse keine Probleme, für enge Beziehungen müsse London Zugeständnisse machen und die Zeit zur Klärung der künftigen Partnerschaft sei zu kurz. Johnson sieht alle drei Punkte zumindest offiziell völlig anders. Und glaubt felsenfest an einen Deal bis Dezember 2020.

© Euronews

Vincent McAviney, Euronews:

"Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Januar müssen alle anderen europäischen Länder, ihre 27 Staats- und Regierungschefs, ein Mandat unterschreiben, das dann an Brüssel übergeben wird, um diese Verhandlungen zu beginnen. Sie werden also erst im März beginnen können, und viele Menschen, vor allem die Oppositionsparteien, sind besorgt, dass es sehr eng wird, in gerade mal 10 Monaten einen solchen Deal durchzukriegen. Normalerweise dauert so etwas Jahre. Es könnte also nur ein Rahmenabkommen sein, obwohl der Premierminister ein vollständiges und umfassendes Abkommen anstrebt."

DIE UHR TICKT

Angesichts der Zuspitzung im Nahen Osten und der intensiven  EU-Krisendiplomatie war es fast überraschend, dass von der Leyen ihre Reise nach London wie geplant durchzog. Doch macht dies deutlich: Der "Brexit" wird nach einigen Wochen relativer Ruhe bald wieder Topthema für die Europäische Union. Binnen weniger Monate soll neu geregelt werden, was unter dem Dach der EU selbstverständlich war: Handel, Zollfreiheit, die Regeln fürs Reisen und Umziehen, Sicherheit,
Datenschutz, Klimaschutz - und Hunderte weitere Fragen.

«...im Grunde unmöglich»
Ursula von der Leyen zum britischen "Brexit"-Deal-Fahrplan

Geht gar nicht - das war von der Leyens vielleicht wichtigste Botschaft in einer Rede in der London School of Economics, wo sie einst selbst studiert hatte. «Wir sind bereit, Tag und Nacht hart zu
arbeiten, um so viel wie möglich zu erledigen in der Zeit, die wir haben», sagte die EU-Kommissionschefin zwar. Doch sei es «im Grunde unmöglich», bis Ende des Jahres alle Themen zu bearbeiten. Deshalb wäre ihr es lieber, den Zeitrahmen vor dem 1. Juli gemeinsam zu überprüfen, formulierte sie diplomatisch.

JOHNSON GEGEN VERLÄNGERUNG

Premierminister Johnson beharrt indes darauf, dass es eine Verlängerung der Übergangs- und Verhandlungsfrist nicht geben werde. Die Briten hätten bereits vor mehr als drei Jahren für den "Brexit"
gestimmt, erklärte er. Die Verhandlungen über ein «ambitioniertes Freihandelsabkommen» müssten fristgerecht abgeschlossen werden. Und es gehe nur um eben dieses Handelsabkommen, «nicht um Angleichung» an EU-Regeln.

VIELE TEUFEL IN DEN DETAILS

Das ist der zweite Punkt, bei dem von der Leyen trocken konterte. Wenn Großbritannien künftig von EU-Regeln abweichen wolle, könne es nicht den besten Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt bekommen: «Je größer die Abweichung, desto distanzierter muss die Partnerschaft
sein.» Die EU biete Wirtschaftsbeziehungen «ohne Zölle, ohne Quoten, ohne Dumping». Gerade dies ist ist für die EU entscheidend: keine Wettbewerbsvorteile durch Unterbieten von Sozial-, Umwelt-, Produkt- oder Steuerstandards.

Das Europaparlament will sogar noch einen Schritt weiter gehen und enge wirtschaftliche Beziehungen von möglichst weitgehender Freizügigkeit für EU-Bürger abhängig machen. So steht es im Entwurf
einer Resolution, die das EU-Parlament kommende Woche in Straßburg beschließen will. Sie wird von allen großen Fraktionen mitgetragen. Auch das birgt Konfliktstoff: Für London ist ein Ende des freien
Zuzugs von EU-Bürgern zum britischen Arbeitsmarkt eine wichtige Begründung des "Brexits".

Vincent McAviney, su mit dpa

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