Frust und Geduld: Der Alltag im Leben des letzten "Nazi-Jägers"

Efraim Zuroff hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Nazis und ihre Mittäter aufzuspüren.
Efraim Zuroff hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Nazis und ihre Mittäter aufzuspüren. Copyright Markus Schreiber
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Von Orlando Crowcroft
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Auch 75 Jahre nach Ende des Holocaust gibt es Mittäter, die nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Efraim Zuroff hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, sie zu finden.

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Im Juni 2013 wurde der ehemalige Polizist Laszlo Csatary angeklagt, weil er zum Tod von 15.000 Juden beigetragen hatte, die 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz geschickt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Csatary 98 Jahre alt und hatte seit dem Zweiten Weltkrieg den größten Teil seines Lebens in Kanada verbracht - als Kunsthändler.

Csatary sollte aber nie für seine Verbrechen vor Gericht erscheinen: Am 12. August 2013 starb er in einem Budapester Krankenhaus an einer Lungenentzündung.

Um Csatary ausfindig zu machen und ihn vor Gericht zu bringen, spielten das Simon-Wiesenthal-Zentrum sowie der Nazi-Jäger Efraim Zuroff eine entscheidende Rolle. In einem Gespräch mit Euronews vor dem Holocaust-Gedenktag (27. Januar) beschrieb Zuroff den Fall von Csatary als einen der frustierenden Momente seiner Arbeit.

"Es gab mehrere Dutzend Fälle, in denen rechtliche Schritte unternommen wurden. Um ehrlich zu sein, wurden nur sehr wenige tatsächlich bestraft. Aber ich denke, dass es wahrscheinlich eine weitaus schmerzhaftere Strafe ist, sie bloßzustellen, als sie letztendlich ins Gefängnis zu stecken", sagte er.

Zuroff hat in den letzten vier Jahrzehnten Dutzende von ehemaligen Nazis und Nazi-Kollaborateuren persönlich gejagt und zur Anklage gebracht, von einfachen Offizieren und Lageraufsehern bis hin zu Lagerkommandanten, die nach Kriegsende 1945 ein neues Leben begannen.

AP Photo/MTI, Bea Kallos
Laszlo Csatary starb 2013 an einer Lungenentzündung - bevor der Prozess beginnen konnte.AP Photo/MTI, Bea Kallos

'Mangelnde Dringlichkeit'.

Viele Täter und Mittäter haben die US-amerikanischen und kanadischen Behörden belogen, um nach Nordamerika umzusiedeln, während andere in Europa blieben. Zwar haben die Regierungen in vielen Fällen geholfen, Nazi-Kriegsverbrecher aufzuspüren und zu verurteilen, in anderen Fällen aber haben sie nicht schnell genug gehandelt.

Am 22. Januar 2020 starb ein US-Amerikaner, Michael Karkoc, im Alter von 100 Jahren, während gegen ihn wegen seiner angeblichen Beteiligung an einem Massaker an Juden in Chlanlow, Polen, im Jahr 1944 ermittelt wurde. Zuroff sagte, dass die amerikanischen und polnischen Behörden "mit einem Mangel an Dringlichkeit" gehandelt hätten.

Auf der einen Seite beraubt das hohe Alter vieler Akteure und Täter im Holocaust oft die Opfer der Gerechtigkeit, doch eine längere Lebenserwartung ermöglicht es Zuroff zufolge auch, diejenigen zu finden und vor Gericht zu bringen, die an der Ermordung der Juden vor sieben Jahrzehnten beteiligt waren.

Daniel Bockwoldt/dpa via AP
Bruno D. soll zum Tod von mehr als 5.000 Menschen im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig beigetragen haben.Daniel Bockwoldt/dpa via APDaniel Bockwoldt

"Als ich anfing, gegen Nazi-Kriegsverbrecher zu ermitteln, dachten wir, es würde eine kurzlebige Anstrengung werden [...]. Wie ist es möglich, dass ich 1948 geboren wurde und immer noch Nazis jage. Es ist verrückt", sagte er.

"Aber die Verlängerung der Lebenserwartung hat es uns ermöglicht, Menschen Anfang der 90er Jahre wieder zu finden, die bei guter Gesundheit sind und vor Gericht stehen können".

Dazu gehört der Fall von Bruno Dey, einem 93-jährigen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig, der wegen Beihilfe zur Ermordung von 5.230 Menschen angeklagt ist. Dey war 17 und 18 Jahre alt, als er seine mutmaßlichen Verbrechen beging.

Efraim Zuroff ist ein israelischer Historiker amerikanischer Abstammung. Er ist Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem. Wegen seiner Suche nach mutmaßlichen Nazi-Verbrechern und ihren Mittätern ist er auch als "letzter Nazi-Jäger" bekannt geworden.

Sie können unser vollständiges Interview mit Efraim Zuroff im Videoplayer oben ansehen.

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