Alt gegen jung? Es tobt die "Mohrenkopf"-Debatte in der Schweiz

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Von Kirsten Ripper mit Watson, SRF, Blick
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Die Supermarktkette @migros verkauft sie nicht mehr, aber vor dem Fabrikladen Dubler stehen die Leute Schlange für die Schaumküsse mit dem rassistischen Namen #mohrenkopf

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Anderswo in Europa versuchen die Leute, Statuen von Rassisten zu Fall zu bringen, in der Schweiz hat die Supermarktkette Migros nach den "Black Lives Matter"-Protesten die "Mohrenköpfe" der Marke Dubler jetzt doch aus dem Sortiment genommen. Eine Debatte über den rassistisch anmutenden Namen hatte es schon in den Jahren zuvor gegeben - ähnlich der ums "Zigeunerschnitzel" in Deuschland.

Die Internet-Plattform Watson zitiert eine Migros-Verkäuferin, die lieber anonym bleiben will und der es immer sehr schwer gefallen ist, die Dubler-Schoko-Produkte mit dem umstrittenen Namen ins Regal zu räumen.

An diesem Samstag haben in vielen Städten in der Schweiz wieder Tausende - vor allem junge Leute -  unter dem Slogan #BlackLivesMatter protestiert.  In Zürich endete die Demonstration von etwa 10.000 Menschen mit einigem Krawall.

Doch trotz der Kritik denkt Firmenchef Robert Dubler (72) nicht daran, den Namen seiner Schokoküsse zu ändern. Wenn man im Internet nach "Dubler Schweiz" sucht, erscheint automatisch das Wort "Mohrenkopf". Und als Reaktion darauf, dass Migros die Dubler-Mohrenköpfe nicht mehr verkauft, standen viele Schweizer am Donnerstag und am Freitag in Waltenschwil im Aargau Schlange vor dem Fabrikladen, um kistenweise die Schokospezialität mit dem umstrittenen Namen einzukaufen. Zahlreiche Kunden waren offenbar aus anderen Kantonen gekommen - wie laut Blick die Kennzeichen der Autos auf dem Parkplatz zeigten.

Die Rassismus-Debatte um den Namen seines Produkts findet Dubler im Interview mit Blick scheinheilig: "Etwas verändern und Gutes tun bedeutet, dass man den Kontinent Afrika fairer behandelt. Aber dazu sind die Menschen nicht bereit, das würde ja etwas kosten;"

Watson-Chefredakteur Maurice Thiriet glaubt, dass Dubler die Polemik als Geschäftsmodell nutzt. In einem offenen Brief an Herrn Dubler schreibt er: "Sie sind ein Mann von einiger Charakterfestigkeit. Oder Geschäftstüchtigkeit, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Seit Tag und Jahr verkaufen Sie andernorts längst politisch korrekt als Schokoküsse gelabelte Süssigkeiten unter dem Markennamen «Mohrenkopf». Und laufen deswegen regelmässig in massenmedial recyclierte Shitstorms. Die haben Sie über die Jahre zur absoluten Top-Marke in Ihrem Bereich gemacht, ohne dass Sie auch nur einen einzigen Werbefranken einsetzen mussten."

Unterstützung bekommen die, die weiterhin "Mohrenkopf" sagen wollen, von Italiens Rechtspopulisten Matteo Salvini. Der Lega-Chef bezeichnet die Debatte in der Schweiz in einem Twitter-Video als "Idiotie der politischen Korrektheit" und zählt Produkte auf, deren Namen man dann auch ändern müsse. Der Ex-Innenminister ist mit seinen 47 Jahren nicht wirklich alt, aber Verständnis für die Rassismus-Debatte hat der Rechtspopulist offenbar kaum.

Der DUDEN schreibt zu "Mohr", der Begriff sei "veraltet" und "heute diskriminierend". Wenn man das Wort im Skype-Chat benutzt, erscheint ein kleines Warnzeichen für Rassismus.

In einer User-Umfrage des Schweizer Fernsehens SRF sieht das Ergebnis so aus: 70 Prozent sagen Ja, der Name "Mohrenkopf" müsse bleiben. 13 Prozent ist der Name egal, was bedeutet, dass sie ihn zumindest stillschweigend akzeptieren. Nur 17 Prozent sprechen sich für eine Namensänderung aus.

Der Soziologe Christian Joppke sagt im Gespräch mit SRF: "Fakt ist, dass die SVP und ihre Anhänger – wie andere rechtspopulistische Parteien in Europa – vor allem auf zwei Themen zurückgreifen: Europa und Globalisierung sowie Kultur und Tradition, die sie durch eine universitäre Linke und durch Multikulturalisten bedroht sehen. Insofern ist die «Mohrenkopf»-Diskussion ein gefundenes Fressen für die Rechtspopulisten."

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