Frankreich: Wut über neues "Kabinett der Schande"

"Kabinett der Schande": Protest in Paris
"Kabinett der Schande": Protest in Paris Copyright Thibault Camus/ Associated Press
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Von Carolin KuterMaxime Biosse Duplan
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In Frankreich gehen Feministinnen gegen die neue Regierung auf die Barrikaden. Macrons Personalentscheidungen seien ein Schlag ins Gesicht.

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Im November 2017 erklärte Emmanuel Macron den Kampf für Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zur "großen Aufgabe" seiner Amtszeit. "Unsere Gesellschaft krankt am Sexismus", so der französische Präsident damals in einer Rede. Und: "Frankreich darf nicht mehr eines der Länder sein, in denen Frauen Angst haben." Macron kündigte zahlreiche Maßnahmen für geschlechtergerechtere Erziehung sowie einen besseren Schutz für Opfer sexueller Gewalt und effizientere Strafverfolgung von Tätern an.

Fast drei Jahre später beruft er am Montag einen neuen Innenminister, gegen den wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung ermittelt wird, einen neuen Justizminister, der wegen Äußerungen gegen die #Metoo-Bewegung aufgefallen war und eine neue Gleichstellungsministerin, die sexistische Witze verteidigte.

"Diese Regierung ist anti-feministisch"

Feministinnen sind auf den Barrikaden. Sie protestierten am Dienstag in Paris und machen ihrem Ärger in den sozialen Netzwerken und Medien Luft. Die Kabinettsumbildung sei eine Schande, riefen Demonstrantinnen in der Nähe des Präsidentenpalastes.

"Diese Regierung ist anti-feministisch", sagte die Aktivistin Caroline De Haas gegenüber euronews. Die Botschaft an Frauen sei "seid still, eure Worte zählen nicht". Bisher habe Macron ein "höfliches" und "neutrales" Desinteresse gegenüber Frauenrechten gehabt, so De Haas auf Twitter. Jetzt sei dieses kämpferisch und aggressiv.

Wer sind die neuen MinisterInnen und warum stehen sie in der Kritik?

  • Gérald Darmanin, der neue Innenminister:
Francois Mori/ Associated Press

Gegen ihn wird wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung ermittelt. Das Verfahren läuft seit Jahren und wurde mehrere Male eingestellt, zunächst, weil die Klägerin sich nicht von den ErmittlerInnen befragen lassen wollte, dann weil das Gericht nicht feststellen konnte, dass keine Einvernehmlichkeit beim Sex vorlag und dann wegen Verfahrensfragen. Im Juni ordnete ein Pariser Berufungsgericht die Wiederaufnahme der Ermittlungen an. Darmanin zufolge war der Sex zwischen ihm und der Klägerin einvernehmlich. Er verklagte sie wegen Verleumdung.

Darmanin ist zudem ein Unterstützer der "Manif pour Tous", der ultra-konservativen Protestbewegung, die in Frankreich als Gegenbewegung zur Einführung der Homo-Ehe 2013 entstand. Seine GegnerInnen bezeichnen ihn als "lesbenfeindlich".

Macron-Umfeld: Verfahren gegen Darmanin entwickelt sich in "gute Richtung"

Aus dem Umkreis des Präsidenten hieß es, das Verfahren gegen den neuen Innenminister entwickle sich "in eine gute Richtung" und sei kein Hindernis für Darmanins Beförderung. Er war bereits zuvor als Haushaltsminister Teil der Regierung.

  • Eric Dupond-Moretti, der neue Justizminister:
Francois Mori/ Associated Press

Hat sich bei vielen einen Ruf als "Monsieur Anti-#Metoo" erarbeitet. So hat der Anwalt die Bewegung zwar einerseits gut geheißen, sie habe es vielen Frauen erlaubt, sich zu äußern. Im gleichem Atemzug sagte er jedoch, dass es auch viele "Verrückte" gebe, die Mist erzählten und die Ehre eines Mannes in Frage stellten, der sich nicht verteidigen könne, da er in den sozialen Netzwerken bereits "gekreuzigt" worden sei.

Dupond-Morreti hat zudem einen der Angeklagten in dem Skandal um den ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn verteidigt. Strauss-Kahn war 2011 vorgeworfen worden, eine Angestellte in einem New Yorker Hotel vergewaltigt zu haben. Zudem gab es in Frankreich ein Verfahren gegen ihn wegen Zuhälterei, in das Dupond-Morretis Klient involviert war. Der heutige Justizminister sprach damals von einer "Geschichte unter Freunden, die sich eine gute Zeit machen wollten". Man habe DSK mit den Vorwürfen aus dem Weg räumen wollen.

Dupond-Moretti äußerte sich zudem zum Fall Bertrand Cantat. Der französische Sänger der Band Noir Désir saß wegen Totschlags an seiner Freundin drei Jahre in Haft. Er wehrte sich dagegen, "ein Symbol für Gewalt gegen Frauen" geworden zu sein. Bei seinen Konzerten gibt es immer wieder Proteste von Feministinnen und Gewaltopfern. Dupond-Moretti bezeichnete die Kritik an Cantat als "Mccarthyismus", in Anspielung auf die Kommunistenverfolgung durch US-Präsident McCarthy in den 50ern.

Neue Frauenminsterin: Männer sollen sich nicht unwohl fühlen

Elisabeth Moreno, die neue Frauenministerin:

Francois Mori/ Associated Press

Politik-Neuling, hat bisher ein Tech-Unternehmen geführt. In ihrer Karriere habe sie zwar auch Sexismus erlebt, aber nicht darunter gelitten, sagt sie. "Weil ich mir das nicht habe gefallen lassen", so die 49-Jährige. "Ich bin niemand, der klein beigibt." Sie habe immer viel Wert darauf gelegt, ManagerInnen Diversität beizubringen. Aber sie wolle nicht, dass Männer sich unwohl fühlten. Es müsse deswegen weiterhin erlaubt sein, Witze an der Kaffeemaschine zu reißen, "damit man sich nicht blockiert fühlt", sagte sie 2018. "Ich möchte kein Klima, wo Misstrauen und Sexismus dazu führen, dass sich alle unwohl fühlen und jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird."

"Kriegserklärung" und "Ermahnung zur Revolution"

Feministische Organisationen verlangen den Rücktritt Darmanins und Dupont-Morretis. Für sie ist deren Berufung eine "Kriegserklärung". Zudem machen sie sich Sorgen darüber, was es bedeutet, dass diese gerade zu den Chefs der Ressorts Innenpolitik und Justiz berufen wurden, die für die Verfolgung von Sexualstraftätern und den Schutz der Opfer verantwortlich sind.

Ein Inneminister, dem Vergewaltigung vorgeworfen werde, ein anti-feministischer Justizminister, und eine Frauenrechtsministerin, die die Unterschiede zwischen Frauen und Männer betone. "Das ist keine Provokation mehr, dass ist eine Ermahnung zur Revolution", twitterte diese Aktivistin.

"Ermahnung zur Revolution"

Regierungsangaben zufolge erheben zwölf Prozent der Opfer einer Vergewaltigung oder eines Vergewaltigungsversuchs Anklage. Feministischen Organisationen zufolge führen Vergewaltigungsverfahren in einem Prozent der Fälle zu einer Verurteilung.

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