Rassismus? Polizei Stuttgart sucht nach "nichtdeutschen Eltern" von 20 Verdächtigen

Rassismus? Polizei Stuttgart sucht nach "nichtdeutschen Eltern" von 20 Verdächtigen
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Von Kirsten Ripper mit dpa, Stuttgarter Zeitung
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Nach der Krawallnacht von Stuttgart Ende Juni forscht die #PolizeiStuttgart @PP_Stuttgart nach "nichtdeutschen Eltern" der Verdächtigen. Dagegen hagelt es Kritik.

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Es geht ein Aufschrei durch die sozialen Medien, nachdem der Polizeipräsident von Stuttgart Franz Lutz erklärt hatte, er wolle bei den Tatverdächtigen der nächtlichen Krawalle von Ende Juni den eventuellen Migrationshintergrund untersuchen lassen. Schon in Stuttgarte erntete der Polizeipräsident heftige Kritik. So fragt der Kommunalpolitiker der Grünen Marcel Roth: "Wie viele Generationen muss man in Stuttgart leben, um als Bürger dieser Stadt anerkannt zu werden?" Inzwischen geht die Empörung weit über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus.

Wie viele Generationen muss man in Stuttgart leben, um als Bürger dieser Stadt anerkannt zu werden?
Marcel Roth
Grünen-Politiker in Stuttgart

Laut Stuttgarter Zeitung vom Samstag hat Polizeipräsident Lutz angekündigt, "dass die Polizei auch bei den Tatverdächtigen mit deutschem Pass mithilfe der Landratsämter deutschlandweit Stammbaumrecherche betreiben werde". Inzwischen hat die Polizei Stuttgart in einer Mitteilung korrigiert, dass nur die Nationalität der Eltern der 20 Verdächtigen, gegen die Haftbefehle erlassen wurden, ermittelt werden solle.

Doch auch die Klarstellung aus dem Stuttgarter Polizeipräsidium beruhigt die Kritiker kaum. So fragt SPD-Politiker Kevin Kühnert, was es denn für die Ermittlungen ändere, wenn ein Elternteil eines Verdächtigen nicht aus Deutschland komme. SPD-Chefin Saskia Esken, die aus Baden-Württemberg kommt, schreibt, die Meldung der Stuttgarter Zeitung habe sie verstört.

Die umstrittene Ankündigung des Polizeipräsidenten erfolgt, während ohnehin eine Diskussion über Rassismus in der deutschen Polizei in Gang gekommen war. So stehen die Verantwortlichen der Polzei in Hessen in dem Verdacht, ein rechtsextremes Netzwerk der Polizei Frankfurt nicht bekämpft zu haben. Zuletzt waren mit der Unterschrift "NSU 2.0" Morddrohungen bei der Linken-Politiker Janine Wissler eingegangen, die offenbar von einer Polizeidienststelle in Frankfurt aus abgeschickt worden waren. Der hessische Innenminister Peter Beuth steht nun im Kreuzfeuer der Kritik. Denn nach den Morddrohungen gegen die Anwältin Seda Basay-Yildiz vor mehreren Monaten hatte es keine Ermittlungsergebnisse gegeben.

Zudem hat Innenminister Horst Seehofer vor einigen Tagen eine Studie zum Thema "Racial profiling" bei der Polizei in Deutschland, die von anderen Ministerinnen gefordert wurde, für unnötig erachtet - und abgeblasen.

Der Autor und Journalist Mohammed Amjahid zählt die zahlreichen Fälle von Rassismus bei der deutschen Polizei in einem Twitter-Thread auf.

Hier die Reaktion von Kevin Kühnert (SPD) auf Twitter.

Auch aus Polizeikreisen kommt Kritik.

In der Erklärung der Polizei Stuttgart steht: "Deshalb wird in einzelnen Fällen die Nationalität der Eltern, und nur der Eltern, von Tatverdächtigen durch Anfragen beim Standesamt erhoben, um zu klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben ist. Dieser liegt nach dem Statistischen Bundesamt dann vor, wenn es sich bei einem Elternteil um einen Nichtdeutschen handelt beziehungsweise wenn der Verdächtige selbst mit einer nichtdeutschen Staatsangehörigkeit geboren wurde. Diese Ermittlungshandlung wird in der aktuellen Mediendarstellung als "Stammbaumforschung" wiedergegeben. Dies ist nicht korrekt. (...). Weiter handelt es sich bei dem überwiegenden Anteil der identifizierten Personen um Jugendliche und Heranwachsende. Insbesondere bei dieser Altersgruppe stehen Präventionsmaßnahmen im Vordergrund. Um eine erfolgreiche Präventionsarbeit auch längerfristig gewährleisten zu können, bedarf es maßgeschneiderter Konzepte, welche die persönlichen Lebensumstände, wie auch einen potenziellen Migrationshintergrund, miteinbeziehen."

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