"If Only"-Dreh von Netflix-Serie in Türkei wegen Homosexualität verboten

Die Behörden wollen ein Wort mitreden bei den türkische Produktionen von Netflix.
Die Behörden wollen ein Wort mitreden bei den türkische Produktionen von Netflix. Copyright Chris Pizzello/2020 Invision
Von Kamuran SamarEmma Beswick
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Netflix hat den Dreh der Serie "If Only" abgesagt, nachdem die Behörden in der Türkei massiv Einfluss auf das Drehbuch nehmen wollten im Gegenzug für eine Drehgenehmigung.

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Die türkischen Behörden haben von Netflix verlangt, die Figur eines Homosexuellen aus dem Drehbuch der Serie If Only zu entfernen, als Bedingung für eine Drehgenehmigung. Das teilte eine dem Streaming-Giganten nahe stehende Quelle Euronews mit.

Die Frau hinter der Serie, Drehbuchautorin Ece Yörenç, sagte laut der türkischen Filmwebsite Altyazi Fasikul, Netflix habe das Drama am Vorabend der Dreharbeiten abgesagt, nachdem die Regierung das Projekt blockiert hatte.

Die Quelle sagte, die Drehgenehmigung für das Projekt sei von den Behörden abgelehnt worden und werde nur unter der Bedingung wieder ausgegeben, dass das Drehbuch geändert werde - die homosexuelle Figur solle gestrichen werden.

Netflix beschloss daraufhin, die Serie einzustellen, da die kreative Vision der Autorin ohne die Figur nicht realisiert werden könne, fügte die Quelle hinzu.

"Das ist sehr beängstigend für die Zukunft", sagte Yörenç.

Im Mittelpunkt der Serie steht eine Frau namens Reyhan, die unglücklich verheiratet ist und 30 Jahre in die Vergangenheit zurückreist, in die Nacht, in der ihr Mann ihr einen Heiratsantrag machte.

Yörenç fügte hinzu, Medienberichte, dass es eine Sexszene eines homosexuellen Paares gebe, seien falsch. Es gebe keinen physischen Kontakt zwischen dem schwulen Mann und anderen Figuren im Drehbuch.

Ilhan Tasci, ein Mitglied des staatlichen Obersten Rundfunk- und Fernsehrates (RTUK), sagte Euronews, dass die Änderungen auf Regierungsebene vorgenommen worden seien und dass die Organisation "nicht offiziell mit Netflix gesprochen habe".

"Es scheint so zu sein, dass Regierungsvertreter eingeschritten sind und einige Änderungen vorgenommen haben, aber wir wissen nicht genau, welche Figur aus welcher Serie entfernt wurde", sagte er.

"Diese inoffiziellen Verhandlungen mit Netflix werden ohne unser Wissen geführt", sagte er und fügte hinzu, sie beträfen "40 verschiedene Filme, nicht nur einen Film".

"Es ist ein Verstoß gegen die Gesetze der türkischen Rundfunkbehörde. Die Regierung akzeptiert, dass eine Art von Änderungen vorgenommen wurden, aber sie geben keine Details preis, so dass wir nicht wissen, welche Filme betroffen sind".

Der stellvertretende Vorsitzende der regierenden türkischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), Mahir Ünal, twitterte am Montag, im Anschluss an die Absage von If Only, dass Netflix in Zukunft "mit einer vertieften Zusammenarbeit eine höhere Sensibilität gegenüber der türkischen Kultur und Kunst zeigen wird".

Anfang Juli sagte Ünal, dass eine Figur der populären türkischen Netflix-Serie Aşk 101 (Love 101) laut der türkischen Nachrichtenseite Gazete Duvar ursprünglich als schwul im Drehbuch stand.

Regierungskritiker behaupteten, dies bestätige den Verdacht auf Zensur.

Im April, kurz vor der Veröffentlichung der Serie, sagte der Direktor der Rundfunkbeobachtungsstelle Ebubekir Şahin laut Nachrichtenportal Ahval, dass die Organisation homosexuelle Themen nicht tolerieren würde und dass RTUK Netflix mit Sanktionen belegen würde, wenn die Serie eine solche Figur enthielte.

"Netflix bleibt unseren türkischen Mitgliedern und der kreativen Gemeinschaft in der Türkei zutiefst verpflichtet", teilte die Streaming-Plattform Euronews in einer Erklärung per E-Mail mit.

"Wir sind stolz auf das unglaubliche Talent, mit dem wir zusammenarbeiten," so Netflix weiter. "Wir haben derzeit mehrere türkische Originalproduktionen - weitere werden folgen - und freuen uns darauf, diese Geschichten mit unseren Mitgliedern auf der ganzen Welt zu teilen".

Homosexualität ist in der Türkei legal, doch der Widerstand der Exekutive gegen die LGBTQ-Gemeinschaft hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Unter anderem wurde der Istanbul Pride Marsch, der fünf Jahre in Folge stattfand, abgesagt.

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