Gurgeln statt Stäbchen: 15.000 Kinder in Österreich machen Test

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Von Kirsten Ripper mit ORF via EBU
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Der Leiter der Studie zum Gurgeltest in Österreich, Prof. Michael Wagner von der Uni Wien, erklärt, wie das mit den #Coronavirus-Tests an den Schulen klappt und wie ansteckend Kinder sind.

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In Schulen in Österreich werden 15.000 Kinder und 1.200 LehrerInnen auf das Coronavirus getestet - mit der neuen Gurgel-Methode, dem Gurgeltest. Statt des Tests mit Wattestäbchen im Rachen sollen die Kinder eine Minute lang mit einer Zucker-Salz-Lösung gurgeln. Mit dem ausgespuckten sogenannten Gurgelat wird ein PCR-Test gemacht.

Der Leiter der Studie, der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien, erklärt im Gespräch mit euronews, wie der Gurgeltest funktioniert: "Man nimmt eine Zucker-Salz-Lösung - die könnte man auch verschlucken - man gurgelt eine Minute. So kommt man schmerzfrei und einfach an das Probenmaterial."

Diese Methode hat viele Vorteile, wie Michael Wagner sagt: "Wir konnten auch zu unserer Überraschung zeigen, dass auch schon Erstklässler, 6 Jahre alte Kinder, problemfrei in der Regel gurgeln können. Und wir haben vergleichende Studien durchgeführt Abstrich - Gurgeln bei denselben Personen und konnten zeigen, dass es absolut vergleichbare Ergebnisse liefert."

Gurgeln ist für den Nachweis von Viren im Rachenraum eigentlich sensitiver als der Abstrich.
Prof. Michael Wagner
Mikrobiologe, Universität Wien

Das deutsche Robert Koch Institut sieht den Gurgeltest bisher skeptisch, aber der Mikrobiologe verteidigt sich gegen Kritik. "Es wird immer wieder von Ärzten und Institution angemerkt, sie würden denken, dass Gurgeln weniger sensitiv ist. Wir sehen das aber nicht, wenn man diese vergleichenden Untersuchungen macht. Und wenn man in die Literatur schaut, gibt es auch für andere Viren schon vor etlichen Jahren vergleichende Studien, die zeigen, dass Gurgeln für den Nachweis von Viren im Rachenraum eigentlich sensitiver ist als der Abstrich."

In Zeiten von immer mehr Tests bietet das Konsortium von Wiener Wissenschaftlern jetzt eine einfache Methode an - ohne finanzielles Interesse und im internationalen Austausch. Vielerorts waren und sind ja auch schon die langen Wattestäbchen, die man für den Abstrich braucht, ausgegangen.

Das Gurgeln macht die Methode viel niederschwelliger. Die Leute fürchten sich nicht davor, ich kann es mit Kindern leicht machen, ich kann es wiederholen, ich kann es potenziell sogar zu Hause machen.
Michael Wagner
Mikrobiologe, Universität Wien

Für die Getesteten ist es einfacher, meint Michael Wagner: "Das Gurgeln macht die Methode viel niederschwelliger. Die Leute fürchten sich nicht davor, ich kann es mit Kindern leicht machen, ich kann es wiederholen, ich kann es potenziell sogar zu Hause machen, aber sie macht es nicht dramatisch billiger." Denn es muss ja im Labor der PCR-Test mit teuren Maschinen durchgeführt werden - auch beim Gurgeltest.

Andere einfachere Tests werden zur Zeit erprobt, wie der RT-LAMP-Test, bei dem das Ergebnis nach etwa 40 Minuten vorliegt. Die neuen Schnelltests hält Wagner für eine "spannende Option für die Zukunft - auch für Veranstaltungen wie Konzerte." Der Forscher aus München meint, die Behörden müssten flexibler werden, um in der Pandemie schneller zu reagieren.

Klassenräume lange lüften, Sport nur draußen und nicht singen

SchülerInnen zu testen, ist sinnvoll, um die Maßnahmen in den Schulen wie Lüften und das Tragen von Masken anzupassen. Sport solle nur draußen stattfinden - und in den Klassen sollten sich möglichst wenig Kinder aufhalten.

Michael Wagner verweist auf Studien, die zeigen, dass Klassenräume 10 bis 15 Minuten gelüftet werden müssen, um die Luft zu erneuern. Es müsse auch zwischendurch gelüftet werden. Das wird natürlich im Herbst und im Winter eine Herausforderung.

Problematisch ist der Musikunterricht, denn beim Singen und bei lautem Sprechen entstehen besonders viele Aerosole, durch die sich das Coronavirus verbreitet. Auch das Tragen von Masken im Unterricht hält Wagner für wünschenswert, weil dadurch die Zahl der Viruspartikel in der Luft reduziert wird; Aus mikrobiologischer Sicht ist Michael Wagner für das Maskentragen. Dann müsse man natürlich die pädagogische Sicht berücksichtigen.

Kinder sind genauso ansteckend

Denn Kinder sind laut Wagner genauso ansteckend wie Erwachsene. Sie sind oft asymptomatisch, was dazu führt, dass sie im Sommer, wenn die Kinder nicht husten und nicht niesen, das Virus weniger verbreiten. Aber es ist nachgewiesen, dass die Virenlast bei Kindern genauso groß ist.

Wenn sie in die Schule gehen, haben Kinder sogar noch mehr soziale Kontakte als Erwachsene. "Einige haben sich zu der These verstiegen, dass Kinder Bremsklötze der Pandemie sind, aber das geben die Daten einfach nicht her, auch wenn das viele so sehen wollen, aber das ist so nicht."

Auch als Vater von vier Kindern hätte ich es natürlich gerne, dass Kinder sich weniger anstecken. Aber das ist nicht der Fall.
Michael Wagner
Mikrobiologe, Universität Wien

Lachend meint Michael Wagner: "Auch selber als Vater von vier Kindern hätte ich es natürlich gerne, dass Kinder sich weniger anstecken. Aber das ist laut Literaturstand nicht der Fall."

Den genauen Beitrag, den Kinder zur Verbreitung des Coronavirus leisten - also quantitativ -, den könne laut Wagner wohl derzeit noch niemand genau festmachen.

Im Herbst und Winter werden Kinder wahrscheinlich SARS-CoV-2 noch mehr übertragen, meint Michael Wagner, durch Doppelinfektionen mit anderen Krankheiten des respiratorischen Trakts wie klassische Erkältungsviren und das Coronavirus.

Ob man Schulen schließen müsse, das komme auf das Infektionsgeschehen an, meint der Wissenschaftler. Man brauche eine regional aufgelöste Datenlage und man müsse auf spezifische Situationen mit spezifischen Maßnahmen reagieren. Kindergärten und Schulen sollte man am längsten offenhalten, sagt Michael Wagner. Man müsse ja nicht ins Fitnessstudio oder in die Bar. Bei Kindergärten und Schulen aber gehe es auch um gesellschaftliche Solidarität.

Wie der Gurgel-Test genau funktioniert, können Sie hier sehen.

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