Friedhöfe für Föten: Frauen fühlen sich gebrandmarkt

Fötengräber auf dem Flaminio-Friedhof in Rom
Fötengräber auf dem Flaminio-Friedhof in Rom Copyright euronews
Von Giorgia Orlandi
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Auf einem Friedhof bei Rom stehen Kreuze mit Namen von Lebenden: Frauen, die abgetrieben haben. Das passiert in Italien nicht zum ersten Mal.

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In Rom gibt es einen ungewöhnlichen Friedhof: Die Namen auf den Kreuzen auf einem Teil des bekannten "Cimitero Flaminio" in einem Vorort der italienischen Hauptstadt stammen nicht von Toten. Sie gehören Frauen, die abgetrieben haben. In den Gräbern liegen die Föten. Die betroffenen Frauen sagen, sie hätten bei der Abtreibung angegeben, dass sie sich nicht selbst um die Entsorgung des Fötus kümmern wollen, eine Option, die Frauen offen steht. Wie ihre ungeborenen Kinder und vor allem ihre persönlichen Daten trotzdem auf diesen Friedhof gelangten, ist nicht genau klar. Die Frauenrechtsorganisation "Differenza Donna" hat jetzt Klage eingereicht.

"Die meisten Kreuze wurden zwischen 2017 und 2020 aufgestellt, aber es gibt betroffene Frauen, die sagen, dass einige schon länger hier stehen", so euronews-Korrespondentin Giorgia Orlandi. "Die Organisation, die die Frauen vertritt, will sich mit anderen Gruppen im Land vernetzen, denn auch in anderen Regionen gab es solche Aktionen."

"Differenza Donna" hat Dutzende Fälle der in Rom betroffenen Frauen zusammengetragen. Ähnliche Friedhöfe gibt es in Italien seit Jahren. Dahinter steckten oft katholische AbtreibungsgegnerInnen der Organisation "Das Leben mit Maria verteidigen", die Vereinbarungen mit Gemeinden und Krankenhäusern schloss, um Föten zu beerdigen - ohne die Einwilligung der Frauen. 

Auch in Rom waren die Frauen überrascht. "Sie haben uns gesagt, dass sie sich nicht respektiert fühlen", so die Präsidentin von "Differenza Donna", Elisa Ercoli. "Sie finden, dass ihre Freiheiten und Rechte missachtet wurden, vor allem ihr Recht auf Abtreibung und die Freiheit des Denkens, aber auch die Religionsfreiheit. Einige haben uns gesagt, dass sie Atheistinnen sind oder nicht-katholisch."

Verfahren wegen Missbrauchs persönlicher Daten

Aufgrund der Klage von "Differenza Donna" hat die Romer Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen des Missbrauchs persönlicher Daten und Verstoßes gegen die Menschenrechte eröffnet. 

Giovanna Scassellati leitete die Abteilung für Abtreibung im Romer San Camillo Krankenhaus. Sie wisse nicht, wie die Föten in die Hände von Abtreibungsgegner gelangen, sagt sie: "Wir bitten die Patientinnen, mehrere Dokumente zu unterschreiben, auch wegen der Beerdigung des Fötus. Aber als Krankenhauspersonal sind wir nicht für die Beerdigungen verantwortlich. Darum kümmert sich eine Abfallentsorgungsfirma. Wir sind nur für den medizinischen Teil zuständig."

Praxis auch unter Abtreibungsgegnern umstritten

Roms Abfallentsorger schrieb in einer Mitteilung, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Der Entsorger übernimmt, wenn sich die Frauen nicht selbst um die Beerdigung des Fötus kümmern wollen. Um herauszufinden, welche Rolle öffentliche Einrichtungen bei der Datenweitergabe spielten, ermittelt auch die italienische Datenschutzbehörde. 

Auch unter AbtreibungsgegnerInnen ist das öffentliche Anprangern der Frauen umstritten: Sowohl die Organisation "Das Leben mit Maria verteidigen" als auch Vertreter der katholischen Kirche distanzierten sich in der Vergangenheit davon, dass die Namen veröffentlicht werden.

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