Vatikan-Bericht: Kirchenvertreter haben Vorwürfe gegen McCarrick heruntergespielt

Der frühere Kardinal Theodore McCarrick, 2002
Der frühere Kardinal Theodore McCarrick, 2002 Copyright AP Photo/Santiago Lyon
Copyright AP Photo/Santiago Lyon
Von Euronews mit dpa
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Immer wieder sind Missbrauchs-Vorwürfe gegen den Ex-Kardinal Theodore McCarrick erhoben worden. Warum wurde so lange gezögert? Der Vatikan hat einen 400 Seiten langen Bericht vorgelegt.

WERBUNG

Eine Untersuchung des Vatikans gegen den frühreren Kardinal Theodore McCarrick kommt zu dem Schluss, dass eine Reihe hochrangiger Kirchenvertreter, inklusive früherer Päpste, die Vorwürfe gegen McCarrick heruntergespielt oder gar zurückgewiesen haben. Mehrmals hatten Betroffene berichtet, dass McCarrick sich an Priesteranwärtern vergangen hatte.

Erzbischof Luigi Ventura ebenfalls vor Gericht

Die zweijährige interne Untersuchung des Vatikan wurde an diesem Dienstag öffentlich gemacht, just an dem Tag, an dem sich Erzbischof Luigi Ventura nach Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens vor Gericht verantworten muss. Mehrere Männer hatten gegen Ventura, dem ehemaliger Botschafter des Vatikans in Frankreich, wegen "unangemessener Berührungen" Vorwürfe erhoben. Papst Franziskus hatte daraufhin die diplomatische Immunität des Botschafters aufgehoben, so dass die Vorwürfe ordnungsgemäß untersucht werden konnten. Ventura selbst hat sein Fehlverhalten wiederholt bestritten.

Vorwürfe gegen McCarrick: Fehlen "sicherer Beweise"?

Der 400 Seiten umfassende Bericht aus dem Vatikan stellt fest, dass Papst Franziskus lediglich den "naiven" Umgang seiner Vorgänger mit McCarrick so lange fortgesetzt hatte, bis ein Messdiener 2017 Missbrauchsvorwürfe erhob. Auch Papst Franziskus habe anfänglich lange gezögert und war mit Vertuschungsversuchen konfrontiert worden. Sein Zögern hätte jedoch daran gelegen, dass ihm "sichere Beweise" gefehlt hätten. Die meisten Anschuldigungen gegen McCarrick hätten sich auf Vorwürfe aus den 1970er Jahren bezogen. 

Dem Bericht zufolge wird dem früheren Papst Johannes Paul II. die größte Schuld zugewiesen. Er sei über zahlreiche Vorwürfe gegen den lange einflussreichen US-Kirchenmann McCarrick informiert gewesen, er habe sogar eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, die den Verdacht bestätigt hatte. Dennoch sei McCarrick im Jahr 2000 von ihm zum Erzbischof von Washington D.C. ernannt worden. Er hatte das Erzbistum Washington bis 2006 geleitet. 

Die Augen verschlossen und McCarrick gedeckt

US-Bischöfe hätten "inkorrekte und unvollständige" Informationen an den Heiligen Stuhl gegeben oder die Augen davor verschlossen, was vor sich ging. Auch informelle Auflagen, die in den 2000er Jahren gegen ihn erlassen wurden, hatte McCarrick missachtet. Papst Benedikt XVI. hatte es abgelehnt, ernsthafte Untersuchungen gegen den einflussreichen Kirchenmann einzuleiten.

Mit der Veröffentlichung der Untersuchung über den Aufstieg und Fall des amerikanischen Prälaten will der Vatikan die Glaubwürdigkeit in den USA und im Vatikan wiederherstellen, die nicht zuletzt durch den McCarrick-Skandal erschüttert worden war.

Papst Franziskus hatte dem inzwischen 90-jährigen McCarrick im vergangenen Jahr aus dem Priesteramt entlassen, nachdem er eine Untersuchung der Glaubenskongregation des Vatikans die Vorwürfe bestätigt hatte.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

"Weidet die Herde Gottes" - Papst ändert vatikanisches Strafrecht

Papst Franziskus bedauert die Umwandlung der Hagia Sophia

Papst Franziskus: Rosenkranzgebet für Pflegepersonal