Studie zur Spanischen Grippe 1918: "Geschichte wiederholt sich"

Spanische Grippe - nachgestellt
Spanische Grippe - nachgestellt Copyright JOEL SAGET/AFP or licensors
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Von Euronews
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Forscher der Uni Zürich und der Uni Toronto zeigen Paralllelen der Spanischen Grippe 1918 mit der Coronavirus-Pandemie 2020 im Kanton Bern auf. Was können wir daraus lernen?

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Durch die Spanische Grippe starben zwischen 1918 und 1920 Schätzungen zufolge welweit zwischen 20 Millionen und 100 Millionen Menschen. Besonders tödlich war die Krankheit für Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. In der Schweiz forderte die Influenza-Pandemie etwa 25.000 Menschenleben. Die Entwicklung der Spanischen Grippe verlief ähnlich wie die der aktuellen Corona-Pandemie.

Zwar gibt es zwischen den beiden Pandemien auch wesentliche Unterschiede, aber die wachsenden Parallelen zwischen 1918 und 2020 sind bemerkenswert.
Dr. Klaus Staub
PD Institut für Evolutionäre Medizin, Uni Zürich

Forscherteams um Dr. Kaspar Staub von der Uni Zürich (UZH) und Prof. Dr. Peter Jüni von der Uni Toronto (UofT) haben die Spanische Grippe von 1918 und 1919 im Kanton Bern mit der Coronavirus-Pandemie 2020 verglichen. Die Studie wurde in ACP Annals of Internal Medecine veröffentlicht. Ihr Ergebnis: "Im Pandemiefall können zögerliche Reaktionen und ein dezentrales Vorgehen der Behörden zu Beginn einer Folgewelle dazu führen, dass diese stärker ausfällt, länger dauert und fataler endet."

Das fatale zögerliche Handeln in der zweiten Welle

Die interdisziplinären Forscher:innen haben herausgefunden, dass der Kanton Bern in der ersten Welle im Juli und August 1918 der Kanton Bern relativ rasch, stark und zentral eingriff - unter anderem wurden Versammlungen eingeschränkt und Schulen geschlossen. Nach dem Abflauen der ersten Welle hat der Kanton im September 1918 alle Maßnahmen aufgehoben, was kurz danach zu vielen neuen Fällen und der zweiten Welle geführt hat.

Diese abwartende und dezentrale Herangehensweise war fatal und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die zweite Welle umso stärker wurde und länger dauerte.
Prof. Peter Jüni
University of Toronto

Auch wegen der wirtschaftlichen Folgen griff der Kanton Bern zu Beginn der zweiten Welle nicht gleich ein und verhängte keine Einschränkungen. Zudem gab es Demonstrationen für mehr soziale Rechte und Truppenansammlungen, die zu weiteren Infektionen führten.

80 Prozent der Erkrankungen und der Todesfälle der Spanischen Grippe im Kanton Bern waren auf die Zweite Welle zurückzuführen.

Neben der historischen Sicht ist Epidemiologe Peter Jüni - der in der Corona-Task-Force in Toronto tätig ist - erstaunt über die Schweiz: "Aus meiner Außenperspektive ist es schwer nachvollziehbar, dass in einem wohlorganisierten, hoch entwickelten und privilegierten Land wie der Schweiz jeder tausendste Mensch an Covid-19 verstorben und jeder dreihundertste hospitalisiert worden ist."

Peter Jüni meint zur aktuellen Situation: "Covid-19 hat Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Todesursache seit Anfang November 2020 weit überholt und ist in der Schweiz somit seit rund drei Monaten die häufigste Todesursache. Vor dem Hintergrund dieser im internationalen Vergleich hohen Sterblichkeit während der zweiten Welle und der drohenden dritten Welle aufgrund von Virusmutationen aus England, Südafrika und Brasilien könnten die Lektionen aus der Vergangenheit zu einem Umdenken von Behörden und Öffentlichkeit beitragen."

Und wie ging die Spanische Grippe zu Ende?

Im Frühjahr 1919 gab es eine - weniger intensive und weniger stark verbreitete - dritte Welle der Spanischen Grippe in Europa, bevor sich ihre Spur verliert. Überschattet wurde die Pandemie in der Presse - besonders in Deutschland - vom Ersten Weltkrieg.

Eine optimistische Einschätzung gibt Dr. Kaspar Staub im Gespräch mit dem Schweizer Fernsehen SRF: "Die akuten Phasen von Pandemien gehen irgendwann einmal auch wieder vorüber."

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