Namibia streitet über das Aussöhnungsabkommen mit Deutschland

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Von Euronews mit afp, dpa
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Das Parlament in der Hauptstadt Windhuk soll in den kommenden Tagen über das Dokument abstimmen, in dem die Bundesregierung die Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia als Völkermord anerkennt.

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Das Parlament in der Hauptstadt Windhuk soll in den kommenden Tagen über das Dokument abstimmen, in dem die Bundesregierung die Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia als Völkermord anerkennt. Danach kann es von den Außenministern beider Länder unterzeichnet werden.

Ende Mai hatte Deutschland die Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama nach jahrelangen Verhandlungen erstmals offiziell als Völkermord anerkannt. 

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid im 20. Jahrhundert gilt.

Historiker schätzen, dass von 1904 bis 1908 rund 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet wurden.

"Verrat" und "Appartheid" - heftiger Streit im namibischen Parlament

"Dieses Thema ist in der Tat ein sensibles", hielt die Ministerpräsidentin Namibias, Saara Kuugongelwa, während der Debatte im Parlament in Windhuk fest und rief die aufgebrachten Abgeordneten zur Ruhe auf.

In dem Aussöhnungsabkommen will man sich mit Deuschland auf eine offizielle Bitte um Vergebung bei den Nachkommen und auf die Zahlung von 1,1 Milliarden Euro zum "Wiederaufbau und zur Entwicklung" über 30 Jahre einigen.

Einige Vertreter der betroffenen Volksgruppen lehnen die Vereinbarung als unzureichend ab. Sie fordern "Reparationen" für den Massenmord an ihren Vorfahren.

Namibische Oppositionspolitiker kritisierten das Versöhnungsabkommen und beschuldigten die Regierung, sie und die vom Völkermord direkt betroffenen Gruppen während der Verhandlungen übergangen zu haben.

"Das ist Apartheid, was die Regierung praktiziert", sagte Edson Isaacks von der oppositionellen Landless People's Movement Namibia (LPM). Eine andere LPM-Abgeordnete, Utaara Mootu,sagte: "Sie haben uns verraten", an Kuugongelwa-Amadhila gerichtet.

"Sie haben keine gleichberechtigte Beteiligung auf der Grundlage der Menschenrechte zugelassen. Sie haben uns nicht die Möglichkeit gegeben, das wirtschaftliche Trauma zu erzählen", das durch den Genozid verursacht wurde, fügte sie hinzu.

Deutschland zahlt keine "Reparationen"

Die deutsche Bundesregierung lehnt weiterhin Forderungen nach Reparationszahlungen aus Namibia ab. Das sagte Außenminister Heiko Maas in dieser Woche in einer parlamentarischen Fragestunde und betonte, dass die angekündigten 1,1 Milliarden Euro Finanzhilfen auf freiwilliger Basis seien.

Diese Summe bezeichnet Deutschland ausdrücklich nicht als "Reparationen". Im Laufe der Jahre hätte es Forderungen nach Reparationen aus Ländern wie Griechenland und Polen wegen der Massaker in der Nazi-Zeit gegeben, sagte Maas. "Aber man muss sagen, dass das mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun hat. Weil diese Vereinbarung ausschließlich auf freiwilliger Basis beruht, gibt es keine rechtliche Grundlage, auf der diese Zahlung geleistet oder vorgesehen ist", sagte er.

Insofern seien die vereinbarten Zahlungen zum Wiederaufbau und zur Entwicklung in Namibia auch nicht vergleichbar mit der Frage der Wiedergutmachung. Die Summe soll über 30 Jahre gezahlt werden und vor allem den Nachkommen der Herero und Nama zugute kommen.

Maas sagte, Deutschland respektiere die Kritik aus Namibia an dem Abkommen.

Seit 2015 verwendet das Auswärtige Amt für die Verbrechen an den Herero und Nama den Begriff Völkermord in seinem allgemeinen Sprachgebrauch. Nun werden die Gräueltaten auch offiziell als Völkermord bezeichnet. Die Bundesregierung hatte immer wieder betont, dass es aus ihrer Sicht keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gebe.

Einzelne Gruppen lehnen das Abkommen ab

Insbesondere ein Verband von Häuptlingen der Volksgruppen der Herero und Nama hat das von Deutschland vorgeschlagene Abkommen abgelehnt. Als "inakzeptabel" und ein "Affront gegen unsere Existenz" hatten Vertreter des von der namibischen Regierung anerkannten Rates der Häuptlinge das Abkommen bezeichnet. 

Die namibische Regierung zeigte sich über die Stellungnahme des Rates der Häuptlinge überrascht und sprach von einem schwerwiegenden Rückschritt. Der Rat sei im gesamten Verhandlungsprozess involviert gewesen, hieß es. 

Die Ovaherero Traditional Authority, eine weitere Herero-Gruppe, hatte das Abkommen ebenfalls in der vergangenen Woche kritisiert und als PR-Coup Deutschlands und Betrug der namibischen Regierung bezeichnet.

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