"Schwarzes Herz"-Autorin protestiert gegen Neonazis auf der Buchmesse

Buchmesse Frankfurt 2021 und die Debatte um die Meinungsfreiheit
Buchmesse Frankfurt 2021 und die Debatte um die Meinungsfreiheit Copyright DANIEL ROLAND/AFP or licensors
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Von Kirsten RipperEuronews mit dpa
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Weil ein Neonazi-Verlag einen Stand auf der Buchmesse ganz in der Nähe ihrer Lesung hatte, ist Jasmina Kuhnke nicht nach Frankfurt gekommen. Die Debatte macht auch im Ausland Schlagzeilen.

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Die "Washington Post" berichtet darüber - ebenso wie VICE -, dass die Autorin Jasmina Kuhnke, die ihr Buch "Schwarzes Herz" auf der Frankfurter Buchmesse vorstellen wollte, nicht zu der Lesung gekommen ist. Die 39-Jährige - die sich auf Twitter @ebonyplusirony nennt und schon zuvor von Rassisten bedroht wurde - boykottiert die Buchmesse, weil in der Nähe der Lesung ein Neonazi-Verlag seinen Stand hat.

Danach haben sich mehrere andere Schriftstellerinnen und Schriftsteller dem Boykott angeschlossen. Die Kabarettistin Carolin Kebekus hat auf der Buchmesse aus Kuhnkes "Schwarzes Herz" vorgelesen.

Jasmina Kuhnke berichtet, dass sie während der Debatte im Internet weiter angefeindet wird.

Die Verantwortlichen der Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erklärten: "Wir bedauern, dass einzelne Autor*innen ihre Auftritte auf der Frankfurter Buchmesse 2021 abgesagt haben «Ihre Stimmen gegen Rassismus und ihr Eintreten für Diversität werden auf der Frankfurter Buchmesse fehlen." Doch Verlage, die rechtsradikale Ansichten verbreiten, von der Bücherschau verbannen will die Buchmesse offenbar nicht. "Meinungs- und Publikationsfreiheit stehen für uns an erster Stelle." Alle Verlage, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, dürften in Frankfurt dabei sein - "auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen".

Der Soziologe Aladin El-Mafaalani meint im SPIEGEL, er suche gezielt die Konfrontation mit den "Faschos", das sei seine Idee von Widerstand. Der Autor meint aber auch, die Verantwortung den Gerichten zuzuschieben, sei der Buchmesse unwürdig.

Um welchen Verlag geht es?

Der "Jungeuropa"-Verlag ist vor allem wegen Philip Stein in die Negativ-Schlagzeilen geraten. Er ist an dem Verlag beteiligt und hat 2017 bestätigt, dass er ein Neonazi ist. Er sagte: "Faktisch sind das ja radikale rechte Positionen, die wir einnehmen."

Jasmina Kuhnke erläutert auf Twitter, dass auch ein gewisser Herr Stein schon zuvor an der Hetzkampagne gegen sie beteiligt war. Sie schreibt: "Ich hab jetzt mehrfach von Nichtbetroffenen zu lesen oder hören bekommen, dass ich mehr Gelassenheit an den Tag legen sollte und mich der Anwesenheit von Nazis stellen solle - dazu möchte ich einmal meine Perspektiven darstellen: Während ich mich mit vier Kindern in Quarantäne befunden habe, inklusive Homeschooling und Homeoffice (mittlerweile bereits fast 2 Jahre) und neben meiner anderen Jobs mein erstes Buch schrieb wurde meine Adresse veröffentlicht und dazu aufgerufen mich zu „massakrieren“. In dieser Zeit, also mitten in der Hoch-phase der Bedrohungslage, zu einem Zeitpunkt an dem ich der Öffentlichkeit über die Vorgänge nicht informieren durfte, gab es einen Shitstorm durch Rechts orchestriert an dem sich sogar „liberale“ Medienmacher*innen beteiligten."

Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wird der Verein "Ein Prozent", den Philip Stein neben seiner Tätigkeit als Verleger leitet, als Verdachtsfall geführt.

Der Autor Tobias Ginsburg hatte in seinem Buch über den Verlag berichtet. Er schreibt auf Twitter: "Nein, @ebonypusirony übertreibt nicht."

Kuhnkes Verlag Rowohlt erklärte dagegen: Das Recht auf Meinungsfreiheit stoße "an seine Grenzen, wenn die Sicherheit und die Grundrechte anderer bedroht werden".

Auf Twitter wird intensiv über den Boykott der Buchmesse und die Solidarität mit Jasmina Kuhnke diskutiert.

Eine Initiative hat unterdessen Geld gesammelt, um das Buch "Schwarzes Herz" an Leserinnen und Leser zu verschenken, die es sich sonst nicht leisten könnten.

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