Migranten-Pushbacks: "Eine tiefe Krise der Rechtsstaatlichkeit"

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Copyright Michel Euler/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved.
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Von Alasdair Sandford, su
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Polens Regierung und die EU beschuldigen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, gezielt Flüchtlinge an die EU-Außengrenze zu bringen. Polen wird vorgeworfen, sie zurückzudrängen. Gerald Knaus, „Europäische Stabilitätsinitiative" warnt vor der Aushöhlung europäischer Werte.

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Die Regierung in Warschau und die EU beschuldigen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen.

Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepublik.

Der polnische Senat prüft den Bau eines Grenzwalls an der polnischen Grenze zu Weißrussland, der Außengrenze der EU, um illegale Migration zu verhindern - nach Medienberichten 5 Meter hoch, bis zu 300 Kilometer lang für gut 350 Millionen Euro.

Gerald Knaus, Thinktank "Europäische Stabilitätsinitiative" ("European Stability Initiative" (ESI). Die Denkfabrik mit Sitz in Berlin und Büros in Brüssel, Istanbul und Wien ist spezialisiert auf Südosteuropa im Hinblick auf die europäische Einigung.

"Wir haben es auf belarussischer Seite mit einem Diktator zu tun, der bereit ist, Menschen an der Grenze sterben zu lassen, sie in sein Land zu locken, sie zur Grenze zu schicken. Es ist eisig kalt in den Sümpfen, Mooren und Wäldern. Er lässt nicht zu, dass sie kehrtmachen, und wenn die Europäische Union Illegale gewaltsam zurückschickt, sitzen die Menschen in der Falle. Das kann eine tödliche humanitäre Tragödie werden.“

Polens Grenzschutz registrierte seit Jahresbeginn knapp 26.000 Versuche eines illegalen Grenzübertritts, allein 14.200 im Oktober. Vor allem die Nichtregierungsorganisationen Caritas und Amnesty International werfen den polnischen Grenzschützern vor, die Rechte von Migranten zu verletzen, indem sie sie in das weißrussische Hoheitsgebiet zurückdrängen. Auch die EU hat Polens Umgang mit der Lage kritisiert.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte sich besorgt über eine geplante Änderung des polnischen Ausländerrechts. Grenzschützer könnten demnach entscheiden, ob Personen Zugang zu einem Asylverfahren erhielten. Die Kommission prüfe die Übereinstimmung mit EU-Recht.

Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel dazu: Es gehe nicht um Einzelfälle, sondern sei ein "systematischer Angriff auf das Asylrecht, auf die Genfer Flüchtlingskonvention", um dann "die europäischen Werte neu zu schreiben".

Gerald Knaus (ESI):

"Was wir sehen, ist eine tiefe Krise der Rechtsstaatlichkeit, in der die bedeutendsten Rechte, die Grundlagen des Völkerrechts, von der reichsten Gruppe von Demokratien der Welt gebrochen werden. Der einzige Weg, aus dieser Situation herauszukommen, besteht darin, Wege menschlicher Kontrolle zu finden, die mehrheitsfähig sind."

PUSHBACK

Sogenannte Pushbacks – sie werden auch Kroatien, Griechenland und Ungarn vorgeworfen - sind illegal im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechts-Charta. Demnach muss es Asylbewerbern ermöglicht werden, einen Asylantrag zu stellen.

Alasdair Sandford, su

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