Butterfahrten nach Liraverfall: Auf türkischen Märkten kann man jetzt billig einkaufen

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Von Euronews mit afp, dpa
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Erdogan hofft bei weiter sinkenden Zinsen auf ein Ankurbeln von Exporten und Wachstum. Doch das einzige, was wirklich angekurbelt wird sind Butterfahrten in die türkischen Grenzgebiete zu Griechenland und Bulgarien.

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Erdogan hofft bei weiter sinkenden Zinsen auf ein Ankurbeln von Exporten und Wachstum. Doch das einzige, was wirklich angekurbelt wird sind Butterfahrten in die türkischen Grenzgebiete zu Griechenland und Bulgarien.

Die türkische Lira ist gegenüber dem Dollar auf einen historischen Tiefstand gefallen. Präsident Recep Tayyip Erdogan stemmt sich mit aller Kraft gegen den Währungsverfall - allerdings mit der Ankündigug weiterer Zinssenkungen bei einer gewaltigen Inflation im Land: ein Teufelskreis.

Erdogan stellt sich gegen die Meinung vieler Ökonomen und hat wiederholt argumentiert, dass hohe Zinsen die Inflation in die Höhe treiben würden. "Früher oder später werden wir die Inflation wieder senken, so wie wir sie bei meinem Amtsantritt auf vier Prozent gesenkt haben", sagte Erdogan nach dem Ende eines Türkei-Afrika-Gipfels am Samstag.

Das letzte Mal, dass die Verbraucherpreise rund vier Prozent erreichten, war im Jahr 2011, aber die Inflation ist seit 2017 stetig angestiegen. In der vergangenen Woche senkte die Zentralbank den Leitzins zum vierten Mal, obwohl die jährliche Inflationsrate im November 21,31 Prozent erreichte und Experten für diesen Monat einen weiteren Anstieg vorhersagen.

Griech:innen und Bulgar:innen strömen auf türkische Märkte

Erdogan hofft bei niedrigen Zinsen weiter auf ein Ankurbeln von Exporten und Wachstum. Doch was wirklich angekurbelt wird sind Butterfahrten in die türkischen Grenzgebiete zu Griechenland und Bulgarien. Menschen aus diesen Ländern strömen dort auf die Märkte, wo sie alle möglichen Waren spottbillig kaufen können.

Zum Beispiel auf dem Ulus Pazari Markt in Edirne. Die Händler klagen, dass sie trotzdem nichts verdienen. "Unsere Gewinnspanne ist sehr gering, weil alle Rohstoffe aus dem Ausland kommen , aus Europa, China und Italien. Für diese Produkte gibt es immer einen Preisanstieg, sie haben sich seit dem letzten Jahr verdoppelt", erklärt Utku Bitmez, der auf dem Ulus Markt Lederwaren verkauft.

AP Photo
Markthalle in ErdineAP Photo

Bulent Reisoglu ist Chef des Händlerverbands in Edirne: "Es gibt einen unerwarteten Schock. Auch wir sind schockiert. Niemand hat mit einem so starken Anstieg und einer so starken Abwertung gerechnet. Wir haben es auch nicht erwartet, wir sind Händler, die Produkte herstellen. Der Preis der Rohstoffe kann nicht bestimmt werden, weil er nicht stabil ist."

Wie Erdogan am Montagabend ankündigte, sollen die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger jetzt mit einer faktischen Staatsgarantie vor Wechselkursschwankungen geschützt werden. Die Lira reagierte daraufhin mit Kursgewinnen. Die Frage ist nur, ob dieser Effekt nachhaltig ist. Denn entgegen allen Ratschlägen von Ökonomen beharrt Erdogan auf einer Senkung der Zinssätze, und das zu einer Zeit, in der seine Popularität im Hinblick auf die entscheidenden Wahlen im Jahr 2023 stetig abnimmt.

Erdogan soll "zu Regeln der Wirtschaftswissenschaft zurückzukehren

Der türkische Regierungschef sagte in einer Rede am Sonntag in Istanbul, dass "nichts anderes als" eine Zinssenkung zu erwarten sei. Er behauptete auch, dass die Türkei "absurden Angriffen" ausgesetzt sei, und griff den einflussreichen Industrieverband TUSIAD an.

Der Verband hatte Erdogan zuvor aufgefordert, die derzeitige Wirtschaftspolitik aufzugeben und zu den "Regeln der Wirtschaftswissenschaft" zurückzukehren.

AFP
Markt in ErdineAFP

Wie Erdogan nach einer Kabinettssitzung ankündigte, sollen Einlagen künftig gegen Verluste aus Wechselkursschwankungen abgesichert werden. Sollten die Verluste größer ausfallen als die von Banken versprochenen Zinsen auf die jeweiligen Einlagen, sollen die Verluste ersetzt werden. "Keiner unserer Bürger muss von nun an seine Einlagen von Lira in ausländische Währungen tauschen, weil er befürchtet, dass die Wechselkursschwankungen Gewinne aus Zinszahlungen zunichte machen könnten", erklärte Erdogan.

Darüber hinaus kündigte Erdogan weitere Schritte an. Unter anderem will die Regierung den Exportunternehmen helfen, sich gegen hohe Wechselkursrisiken abzusichern. Die Türkei habe weder die Absicht noch das Bedürfnis, "sich auch nur den geringsten Schritt" von der freien Marktwirtschaft und dem aktuellen Devisenregime zu entfernen, sagte Erdogan. Zuvor hatte es unter Analysten Überlegungen gegeben, dass die Türkei schlimmstenfalls Kapitalverkehrskontrollen zur Abwehr der drastischen Lira-Verluste einführen müsse.

In den Stunden vor Erdogans Ankündigung war es den zweiten Handelstag in Folge zu dramatischen Szenen an den türkischen Finanzmärkten gekommen. Ein Dollar war erstmals mehr als 18 Lira wert gewesen, der Euro war auf mehr als 20 Lira gestiegen. Am Dienstag kostete ein Dollar dagegen nur noch 13,3 Lira, für einen Euro mussten 15,1 Lira gezahlt werden. Auch die türkische Börse hatte zuletzt stark unter der Lira-Abwertung gelitten und war mehrfach so stark eingebrochen, dass der Handel ausgesetzt werden musste. Bis zu Erdogans Rettungspaket hatte die Lira im laufenden Jahr deutlich mehr als die Hälfte ihres Werts eingebüßt.

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