Portugal: Keine Insel mehr gegen den Rechtsextremismus

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Von Nuno PrudêncioSabine Sans
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Lange galt das südeuropäische Land als Bollwerk gegen den Rechtsextremismus. Aber mit André Ventura bekamen die Rechten ein Gesicht und wurden salonfähig.

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Lange galt Portugal als Insel gegen den Rechtsextremismus. Das hat sich mit dem Ex-Sportreporter und ehemaligem Mitglied der Mitte-Rechts-PSD André Ventura geändert. Der Chef der rechtspopulistischen Chega-Partei (zu Deutsch: Das reicht!) gibt den Rechten ein Gesicht und sorgt immer wieder für Aufsehen.

Als Kandidat im Präsidentschaftswahlkampf zeigte er ein Foto des damaligen und jetzigen portugiesischen Präsidenten de Sousa mit einer Familie, die er als „Banditen“ bezeichnete. Die Familie verklagte Ventura wegen "Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe und der sozioökonomischen Stellung". Der Politiker wurde verurteilt, sich öffentlich zu entschuldigen.

"Trotz der Entschuldigung erklärte Ventura, dass er mit dem Gerichtsurteil nicht einverstanden sei und betonte, dass er die Partei nicht in einen 'rechtlichen und finanziellen Abgrund' führen wolle", so euronews-Reporter Nuno Prudêncio.

Die Rechten legen zu

In Santo Isidoro, 50 Kilometer von Lissabon entfernt, hat die Chega-Partei bei den Kommunal- und Präsidentschaftswahlen besonders gute Ergebnisse erzielt. Aber dort will kaum jemand zugeben, sie gewählt zu haben.

"Sie reden viel und die Leute hören zu", meint eine Frau auf der Straße. "Ich höre zu, alle hören zu. Aber ich denke nicht so. Ich glaube nicht, dass diese Extremisten etwas erreichen. Sie werden bleiben, wo sie sind."

Eine andere Passantin erzählt: _"Aus meinen Gesprächen – auch über die Wahlen - in meinem Freundes- und Bekanntenkreis kenne ich niemanden, der diese Partei wählt oder diese Ansichten vertritt. Hier in der Gegend gibt es keine Rechtsradikalen."

_Aber sie wählten 2019 einen Abgeordneten ins Parlament. Im April 2019 gründete André Ventura die Chega-Partei, im Oktober wurde er im Wahlkreis Lissabon ins portugiesische Parlament gewählt.

Die sogenannte portugiesische Ausnahme ist ein Mythos

Journalisten des portugiesischen Rechercheprojekts Setenta e Quatro unterwanderten drei Monate lang den portugiesischen Ableger der Proud Boys, der bekannten US-amerikanischen Rechtsextremen.

"Die sogenannte portugiesische Ausnahme, die Vorstellung, dass es in Portugal keine extreme Rechte gibt, ist ein Mythos", sagt der Journalist Filipe Teles. "Der Aufstieg der Chega erfolgte im Rahmen des Aufschwungs der extremen Rechten auf europäischer und internationaler Ebene, mit der Wahl von Bolsonaro, von Donald Trump und dem Aufstieg von Marine Le Pen in Frankreich. Vox war bereits vor Chega ins spanische Parlament eingezogen."

Und sein Journalisten-Kollege Ricardo Cabral Fernandes meint: "Die Rechtsextremen haben ihr Auftreten verändert, das heißt, sie laufen nicht mehr wie Skinheads in Jeans und mit rasierten Haaren herum. Jetzt tragen sie Anzug mit Krawatte und einen gestutzten Bart. Man kann sagen, dass man nicht rechtsextrem ist, aber gleichzeitig rechtsextreme Dinge sagen, mit dieser Zweideutigkeit spielen und sich dann als Opfer aufführen. Die Ideen existieren, auch wenn sie nicht explizit ausgesprochen werden."

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