Roberta Metsola: "Diktatoren werden uns nicht spalten"

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Von Sandor Zsiros
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In The Global Conversation spricht EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen und den Konflikt mit Russland in der Ukraine.

**Roberta Metsola ist seit einem Monat die neue Präsidentin des Europäischen Parlaments. Die maltesische Politikerin und Mitglied der Europäischen Christdemokraten trat die Nachfolge des verstorbenen David Sassoli an. In ihrer Antrittsrede sprach die 43-Jährige Mutter von vier Kindern davon, die Europäische Union attraktiver für jüngere Menschen gestalten zu wollen. In The Global Conversation spricht Roberta Metsola über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen und den Konflikt mit Russland in der Ukraine. **

Sándor Zsiros, Euronews:

Das Interview findet am selben Tag statt, an dem der Europäische Gerichtshof den so genannten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus gebilligt hat. Das bedeutet, dass die EU Zahlungen an einen Mitgliedstaat aussetzen kann, der die Grundwerte der Gemeinschaft nicht respektiert. Ist die Entscheidung zum Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ein Meilenstein im Kampf gegen die Korruption?

**Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments: **

Ja, absolut, auf die heutige Entscheidung hat man gewartet. Wir haben Monate damit verbracht, eine klare Erklärung und die Abweisung der Klage zu fordern, die von den Regierungen von zwei Mitgliedstaaten gegen ein grundlegendes Prinzip erhoben wurde. Eines, das das Europäische Parlament sehr gerne verhandelt hat, und erfolgreich während der Diskussionen über den mehrjährigen Finanzrahmen. Mit anderen Worten, wenn man einmal die Rechtsstaatlichkeit zurückgedrängt hat, dann sollte die Gewährung von Zahlungen an dieses Land davon abhängig gemacht werden. Aber es ist nicht nur eine Entscheidung... Wir erwarten jetzt konkrete Ergebnisse von der Europäischen Kommission, und das wird auch die große Mehrheit des Parlaments so sehen.

Euronews:

Ungarn und Polen sagen, dass das ein politisches Instrument gegen sie ist, weil sie konservative, nicht-liberale Ansichten haben. Wie sehen Sie diese Argumente?

**Roberta Metsola: **

Ich bin Juristin und habe die Justiz immer als eine Institution betrachtet, die respektiert werden sollte, sowohl im Hinblick auf die Unabhängigkeit als auch auf die Auslegung des EU-Rechts. Es geht hier um die Auslegung einer Entscheidung, die von den Institutionen getroffen wurde, vom EU-Parlament und dem EU-Rat und auch auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission. Für mich ist hier Schluss, und ich denke, dass alle Mitgliedsstaaten das respektieren sollten.

Euronews:

Das Europäische Parlament hat Ungarn wegen demokratischer Rückschritte heftig kritisiert. Wie sehen Sie die Situation jetzt, nur wenige Wochen vor den Wahlen? Glauben Sie, dass die ungarischen Wahlen unter diesen Umständen frei und fair sein können?

Roberta Metsola:

Ich würde es nicht wagen, den Ausgang der Wahl vorherzusagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass das Europäische Parlament sehr genau darauf achtet, dass die Demokratie gewahrt bleibt, dass die Institutionen ihre Arbeit machen können und dass es keine politische Einmischung gibt.

Wie kann das EU-Parlament die Rechtsstaatlichkeit fördern und schützen?

Euronews:

Und natürlich geht es bei der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit nicht nur um Ungarn und Polen. In Ihrem Heimatland Malta beispielsweise wurde eine Enthüllungsjournalistin ermordet. Was halten Sie von den Ermittlungen der örtlichen Behörden und wie sehen Sie die Verantwortung des Staates?

Roberta Metsola:

Der Tag, an dem Daphne Caruana Galizia ermordet wurde, war der Tag, an dem dieses Parlament wusste, dass es etwas für die Rechtsstaatlichkeit, den Schutz von Journalisten und die Pressefreiheit tun muss. Vor vier Jahren wurden Ján Kuciak und seine Verlobte, Martina Kušnírová, in der Slowakei ermordet. So etwas löst einen langen Prozess der Aufklärung aus, Besuche im Land, Druck auf die Europäische Kommission, ein objektiver Rechtsstaatlichkeitsbericht, der überall dort hinschaut, wo es Lücken gibt, die geschlossen werden könnten. Aber auch die intensive Arbeit an einem Bericht, an dem ich im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten mitgearbeitet habe, es geht um Strategische Klagen gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung, dafür erwarten wir von der Kommission einen Vorschlag.

Ist das genug? Es ist nie genug. Können wir Daphne und Ján wieder zurückbringen? Natürlich können wir das nicht, aber das Mindeste, was wir tun können, ist sicherzustellen, dass dieses Parlament immer für die Pressefreiheit eintreten wird. Dieses Parlament wird immer für den Schutz von Journalisten eintreten und alles in seiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, und zwar nicht nur dem Anschein nach, sondern tatsächlich, und dass die Wahrheit, nach der Daphne und Ján in ihren Recherchen suchten, und die wir untersuchen, endlich ans Licht kommt.

Euronews:

Es gibt eine weitere Krise in Europas Nachbarschaft. Russische Truppen stehen immer noch an der ukrainischen Grenze. Was ist Ihre Botschaft an Wladimir Putin?

Roberta Metsola:

Unsere Botschaft war sehr klar. Erstens: Diktatoren werden uns nicht spalten. Jeder, der versucht, die Europäische Union zu destabilisieren, tut das nur, damit wir nicht geeint sind. Die Botschaft dieses Parlaments, aber auch einer Debatte heute Morgen mit dem EU-Ratspräsidenten, der Kommissionspräsidentin und Hohen Vertreterin war, dass wir geeint sein werden. Wir werden uns immer für eine Deeskalation einsetzen. Wir erinnern an unsere Resolutionen, die sich mit Russland befasst haben, auch unter dem Gesichtspunkt der Sanktionen. Wir bringen unsere Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck und machen sehr deutlich, dass das Parlament im Falle einer Eskalation in Abstimmung mit den anderen Institutionen auf ein sofortiges, schnelles, konkretes und geschicktes Handeln drängen wird. Wir haben heute auch über eine Finanzhilfe von 1,2 Milliarden Euro für die Ukraine abgestimmt. Das Parlament hat das sehr schnell gemacht. Für uns war es wichtig, diese Botschaft der konkreten und schnellen Solidarität mit dem ukrainischen Volk zu senden.

Ist bei so vielen Interessen eine gemeinsame Außenpolitik möglich?

Euronews:

Wenn wir die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten und die unterschiedlichen Interessen der Mitglieder des Parlaments sehen, glauben Sie, dass diese europäische Einheit in der Außenpolitik Bestand haben wird?

Roberta Metsola:

Ich bin überzeugt, dass wir mit der richtigen Führung, Sprache und Verhandlungen wirklich breite Mehrheiten in diesem Haus finden können. Natürlich kommen in diesem Haus Menschen mit unterschiedlichem politischem Hintergrund und aus verschiedenen Fraktionen zusammen. Aber was wir in den letzten Tagen und Wochen gesehen haben, ist die Fähigkeit, zu einer einheitlichen und konkreten Reaktion zu kommen, ähnlich wie wir es zum Beispiel bei Belarus gesehen haben. Wir haben auch sehr starke Botschaften zur Unterstützung der belarussischen Opposition gesendet und sichergestellt, dem illegitimen Regime in Belarus die stärkste Botschaft zu senden. Für uns ist dieses Parlament sehr lautstark, und ich will diesen Weg in den nächsten zweieinhalb Jahren meiner Präsidentschaft fortsetzen.

Euronews:

Wie sehen Sie als Präsidentin die Zukunft des Europäischen Parlaments? Wie sehen Sie seinen Platz in der Struktur der Europäischen Union?

Roberta Metsola:

Zunächst einmal waren die letzten beiden Jahre für das Europäische Parlament eine große Herausforderung, was die Sichtbarkeit angeht. Aber auch, weil mehr als die Hälfte der Abgeordneten neu ist. Man kann sagen, sie haben fast noch nie ein Parlament erlebt, das so arbeitet, wie ich es erlebt habe als ich vor neun Jahren ins Parlament kam. Gänge voller Menschen, ein sehr aktives Plenum, sehr hitzige Debatten zwischen den Menschen, die zu legislativen Ergebnissen führten und auch zu sehr starken politischen Aussagen. Wir befinden uns jetzt in der Phase, in der diese außergewöhnlichen Maßnahmen, mit denen wir leben, langsam zu Ende gehen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass wir die technologischen Fortschritte, die wir während der Pandemie gemacht haben, nutzen und ausschöpfen können. Das EU-Parlament hat zum Beispiel sehr schnell auf einen Hybrid- und Online-Modus umgestellt. Wie können wir nun diese Flexibilität beibehalten und gleichzeitig die Feierlichkeit des Parlaments, seines Plenums und seiner Entscheidungsfindung bewahren?Das wird auch bei der Infrastruktur zwischen den Institutionen eine Rolle spielen. Aber wie Sie sehen, sind wir sehr präsent, wir sind sehr sichtbar, wir sind sehr lautstark und ich habe keinen Zweifel daran, dass dies nur noch zunehmen wird, je näher wir den Wahlen 2024 kommen.

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