Ukraine: Internationaler Strafgerichtshof forscht zu Völkermord

Ukraine: Internationaler Strafgerichtshof forscht zu Völkermord
Copyright Peter Dejong/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved
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Von su mit dpa
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Der Internationale Strafgerichtshof wird in der kommenden Woche die Völkermord-Klage der Ukraine gegen Russland verhandeln. Kiew wehrt sich auch gegen Völkermord-Vorwürfe Russlands als Kriegsgrund.

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Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH, Haager Tribunal, International Criminal Court ICC) wird bereits in der kommenden Woche die Klage der Ukraine gegen Russland verhandeln, so das Gericht in Den Haag. Die Ukraine hatte nach der russischen Invasion Klage bei dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen eingereicht und bezieht sich dabei auf die Völkermord-Konvention. Kiew fordert in einem Dringlichkeitsverfahren Sofortmaßnahmen gegen Moskau.

Kiew wirft Moskau vor, Völkermord zu planen und Ukrainer absichtlich zu töten und zu verletzen. Außerdem wehrt sich das Land gegen die Erklärung Moskaus, dass die Ukraine Völkermord gegen Russen begehe. Russland hatte mit dieser unbewiesenen Aussage die Invasion gerechtfertigt.

Karim Khan, der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, hat erklärt, dass er auf Antrag von 39 Vertragsstaaten eine Untersuchung wegen möglicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord in der Ukraine eingeleitet hat.

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Laut Amnesty International wurden in den ersten Kriegstagen (bis zum 28.02.2022) an vielen verschiedenen Orten mutmaßliche Kriegsverbrechen registriert: ein Kindergarten, ein Krankenhaus, viele Wohnblöcke, Zivilistenheime, Zivilfahrzeuge ... Die Zahl der zivilen Todesfälle ist ungewiss: Die UN registrierte bis vergangenen Dienstag insgesamt 136 getötete Zivilisten, die ukrainische Regierung kommt auf mehr als 2.000.

Ein Experte für Krieg und Völkermorde zur Wahrscheinlichkeit, dass der russische Präsident Wladimir Putin oder russische Militärbefehlshaber eines Tages vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden:

Thijs Bouwknegt, Institute for War, Holocaust and Genocide Studies, Amsterdam (NIOD): 

„Der IStGH ist dazu da, Hauptverantwortliche für Gräuelverbrechen zu verfolgen, also sollte er sehr weit oben ansetzen. Aber Russland erkennt das Gericht nicht an. Dass sich der russische Präsident verantworten muss oder andere militärische Führungskräfte, ist nicht sehr wahrscheinlich – der Internationale Strafgerichtshof hat keine Vollstreckungsbefugnis, kann keine Polizisten rausschicken und jemanden festnehmen".

… höchstens den UN-Sicherheitsrat anrufen.

Zunächst wird am Montag, den 7. März die Ukraine ihre Position vor den Richtern in Den Haag darlegen. Am Dienstag, den 8. März bekommt Russland das Wort.

Weder Russland noch die Ukraine sind Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs, obwohl die Ukraine seine Gerichtsbarkeit 2014 anerkannt hat.

Der IStGH ist eine Internationale Organisation im völkerrechtlichen Sinn, aber kein Teil der Vereinten Nationen. Darin unterscheidet er sich von dem umgangssprachlich als „UN-Kriegsverbrechertribunal“ bezeichneten Internationalen Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und dem Internationalen Strafgericht für Ruanda (ICTR). Deren Zuständigkeit betraf nur bestimmte Konflikte, der IStGH dagegen unterliegt keiner derartigen Beschränkung.

84 URTEILE VOR DEM UN-TRIBUNAL FÜR EX-JUGOSLAWIEN

Das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag hat allerdings 1993 bis 2017 Anklage gegen 161 Personen erhoben – darunter Ministerpräsidenten, Minister, Generäle, Stabschefs und andere hochrangige Personen. Ihnen wurde die Verantwortung für tausende Tote und für das Leid der überlebenden Opfer zur Last gelegt. 84 der Angeklagten – 60 Serben sowie einige Kroaten, Kosovo-Albaner und Bosniaken – wurden verurteilt, 2017 wurde das letzte Urteil gesprochen. Der Ad-hoc-Strafgerichtshof wurde durch die Resolution 827 des UN-Sicherheitsrats vom 25. Mai 1993 geschaffen. Das Tribunal verfügte über ein Untersuchungsgefängnis mit hohem, humanitärem Standard. Haftstrafen büßen Verurteilte in Staaten ab, mit den das ICTY Abkommen hatte, darunter Schweden, Großbritannien und Deutschland.

su mit dpa

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