Hoffen auf eine bessere Menschheit: Bericht aus psychiatrischer Klinik in Kiew

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Von Anelise Borges
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Die Pawlow-Klinik wurde schon von den Nazis heimgesucht, jetzt die russischen Bomben. Der Direktor fragt sich, ob die Menschheit jemals lernt.

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Die psychiatrische Pawlow-Klinik in Kiew: Mehr als 1000 Patientinnen und Patienten warten dort auf das Ende des Krieges, überwältigt von den Ereignissen. Weil viele Menschen aus anderen Konfliktzonen hierher verlegt wurden, ist das Krankenhaus zudem überfüllt. Medikamente wie Antidepressiva und Antipsychiotika sind knapp. 

Die Klinik ist auf Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern angewiesen, berichtet der stellvertretende Leiter Dmytro Lebedew: "Wir posten in den sozialen Medien, was wir brauchen, zum Beispiel Windeln, Wasser und solche Sachen. Viele sind proaktiv und helfen von sich aus, zum Beispiel Restaurants, die uns Essen schicken, ohne dass wir überhaupt darum gebeten haben. Manchmal schickt uns jemand Brot, manchmal eine Wagenladung Äpfel."

Angestellte wohnen in der Klinik

Viele Angestellte sind mit ihren Familien in das Krankenhaus gezogen, so dass sie rund um die Uhr bei ihren Patientinnen und Patienten sein können. Auch Ehrenamtliche helfen. Zusammen mit einem Kollegen habe er etwa 100 Menschen rasiert, so ein junger Mann, der hilft. Für ihn sei das eine Art, um für die Ukraine zu beten. Er denke dabei an den heiligen Franziskus, der die Menschen wusch und mit ihnen aß. "Ich versuche, mit jedem Teil meines Körpers zu beten", sagt der Helfer.

Auch Wyacheslaw Mishyev, Direktor der Klinik, betet, damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Während die Luftschutzsirenen heulen, zeigt er uns einen Ort auf dem Krankenhausgelände, an dem Hunderte Patientinnen und Patienten während der Besatzung der Ukraine durch die Nazis von deutschen Soldaten ermordet wurden. Einige wurden hingerichtet, andere in den Räumen des Krankenhauses vergast.

Ich wünsche mir einen neuen Menschen
Wyacheslaw Mishyev
Klinikdirektor

Wyacheslaw: "Wir haben viel Zeit damit verbracht, den ersten Weltkrieg zu verstehen, dann den zweiten, es gab so viele moralische und ethische Botschaften wie ,das darf nicht wieder passieren', ,wir müssen aus der Vergangenheit lernen' oder ,wir sollten eine bessere Version unserer Selbst werden'. Ich persönlich denke, dass der Menschen und die Menschheit im Allgemeinen leider nicht besser wird. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, das ist bitter. Ich wünsche mir einen neuen Menschen, mit großen Ideen, einen guten Menschen. Leider passiert das nicht, aber wir verlieren nicht die Hoffnung. Vielleicht gibt es das irgendwann in einem anderen Leben, in anderer Gestalt, unter anderem Umständen."

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