Trotz Rekordzahlen und Länderkritik: Bundestag schafft fast alle Corona-Regeln ab

Eine Frau in Frankfurt läuft an einem Corona-Testzentrum vorbei, 24.02.2022
Eine Frau in Frankfurt läuft an einem Corona-Testzentrum vorbei, 24.02.2022 Copyright Michael Probst/Copyright 2022 The Associated Press. All rights reserved
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Masken nur noch in Bussen, Bahnen und Krankenhäusern, keine Testpflicht mehr: In Deutschland sollen fast alle Maßnahmen fallen.

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In Deutschland können ab diesem Sonntag die meisten Corona-Maßnahmen fallen. Trotz neuer Rekordwerte bei den Infektionszahlen ist die Änderung im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Der Bundestag stimmte mit der Mehrheit der Ampel-Koalition dafür. Später bestätigte auch der Bundesrat die Aufhebung fast aller Einschränkungen - obwohl am Vortag noch alle MinisterpräsidentInnen gegen die Pläne der Bundesregierung protestiert hatten.

Damit bleiben sogenannte Basisschutz-Maßnahmen, das heißt Maskenpflicht nur noch in Bussen, Bahnen, Flugzeugen und medizinischen Einrichtungen. Eine Testpflicht soll es nur noch in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen oder Gefängnissen geben dürfen. Auch die Homeoffice-Pflicht sowie 2- und 3-G-Regelungen fallen. Viele Länder machen aber von einer Übergangsfrist Gebrauch und lassen die aktuellen Einschränkungen bis zum 2. April in Kraft. Sie können auch danach die Wiedereinführung von Maskenpflicht, Impf- und Testnachweisen beschließen, wenn sich die Lage regional verschlechtert, etwa weil eine gefährlichere Virusvariante zunimmt oder die Überlastung der Krankenhäuser droht.

Länder sind sich bei Kritik einig - und stimmen trotzdem für die Änderung

Die Länder hatten diese Neuregelung bei einem Bund-Länder-Treffen am Donnerstag in parteiübergreifender Einigkeit kritisiert. Sie seien nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden worden. Das neue Gesetz sei zu kompliziert, weil der Landtag immer zustimmen muss, wenn regional wieder verschärft wird und außerdem seien Lockerungen angesichts von Rekordinfektionszahlen nicht angemessen.

Kritik kommt unter anderem vom bayerischen Ministerpräsidenten

"Chaos mit Ansage"

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge, nannte die Vorlage der Bundesregierung am Freitag im Bundestag schlecht. So sei bei der Hotspot-Regelung nicht klar, wann genau die Krankenhäuser überlastet seien. Das sei Chaos mit Ansage.

Auch der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, bezeichnete die politische Debatte zwischen Bund und Ländern in den vergangenen Tagen als "chaotisch". Nach der Ministerpräsidentenkonferenz bleibe vollkommen unklar, nach welchen Kriterien die Politik die Corona-Lage bewerte, sagte Weigeldt gegenüber der "Rheinischen Post".

Ampel-Koalition verteidigt neuen Rechtsrahmen

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hingegen verteidigte die Pläne der Koalition. Fast alle Länder um Deutschland herum hätten ihre Corona-Maßnahmen ohne Probleme für ihr Gesundheitssystem gelockert, sagte er der "Augsburger Allgemeinen" an diesem Freitag. «Wir müssen den gleichen Weg gehen, sonst sind wir der Geisterfahrer in Europa», warnte der Liberale.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die geplanten Lockerungen verteidigt. Dem deutschen Gesundheitssystem drohe nun keine Überlastung mehr, daher könne man nicht an den bundesweiten Einschränkungen festhalten. Er rief die Länder dazu auf, das neue Gesetz zu nutzen und nicht nur zu beklagen, "was alles nicht geht", mit Blick auf die Ministerpräsidenten der Länder.

Auch bei der Diskussion im Bundestag nannte der SPD-Politiker die neue Rechtsgrundlage einen Kompromiss, der richtig sei. Die Neuregelung gewährleiste, dass man überhaupt noch zielgerichtet reagieren können. Durch die Omikron-Variante sei eine flächendeckende Überlastung der Kliniken auch nicht mehr zu befürchten.

Er schloss nicht aus, dass das Infektionsschutzgesetz wieder verschärft werden, sobald neue Corona-Varianten auftauchten.

Die AfD forderte eine sofortige Aufhebung aller Einschränkungen. Die AfD-Politikerin Christina Baum erklärte, die Menschen endlich wieder ihre Normalität haben wollten. Eine Überlastung der Krankenhäuser habe es in Deutschland nie gegeben.

RKI empfiehlt Masken in Innenräumen

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, den Mund-Nasen-Schutz in Innenräumen weiter zu tragen. Insgesamt sei der Infektionsdruck weiterhin sehr hoch, vor allem unter Ungeimpften, die in Deutschland über 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Von schweren Krankheitsverläufen sind laut RKI vor allem Menschen über 80 betroffen. Trotz der sehr hohen Fallzahlen in der Omikron-Welle sei die Zunahme an schwer Erkrankten und Covid-19-Toten aber weiterhin moderat.

Die Corona-Neuinfektionen sind in Deutschland weiter angestiegen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 297.845 Ansteckungen. Am Freitag vor einer Woche waren es noch 252.836 gewesen. Die Sieben-Tage-Inzidenz klettert damit auf 1.706,3 (am Donnerstag lag der Wert bei 1.651,4).

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