Gespenst Stagflation: Preise steigen, Produktion wankt

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Von su mit dpa, AP, AFP
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Rekordverdächtige Inflationsraten in Deutschland: Da die Auslöser – unterbrochene Lieferketten wegen der Pandemie und der Ukrainekrieg sich kaum in Luft auflösen dürften, haben viele Verbraucher nachhaltig ihre Konsumgewohnheiten geändert.

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Rekordverdächtige Inflationsraten machen Konsum und Industrie in Deutschland weiter zu schaffen. Im April legte die Teuerungsrate überraschend nochmal zu: Die Verbraucherpreise lagen um 7,4 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats, so das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten. ImMärz war die jährliche Teuerungsrate mit 7,3 Prozent bereits auf den höchsten Wert seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 geschnellt.

Volkswirte erwarten wegen der angespannten Lage bei den Energiepreisen und anhaltender Sorgen um einen russischen Lieferstopp nicht, dass die Inflation in den nächsten Monaten rasch zurückgeht. Jüngste Prognosen rechnen für das Gesamtjahr 2022 mit mehr als sechs Prozent Teuerung in Deutschland. Im vergangenen Jahr hatten die Verbraucherpreise im Jahresschnitt nur halb so stark (3,1 Prozent) zugelegt.

Für viele Verbraucher ist der Preisschub ein Schocker. Ähnlich hohe Inflationsraten wie im März und April dieses Jahres gab es in den alten Bundesländern zuletzt im Herbst 1981, als infolge der Auswirkungen des Ersten Golfkrieges die Mineralölpreise ebenfallsdeutlich geklettert waren.

NEUE KONSUMGEWOHNHEITEN

Da die Auslöser – unterbrochene Lieferketten wegen der Pandemie und der Ukrainekrieg mit den Folgen Lieferenpässe bei Energie, Dünger und Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Sonnenblumenöl - sich kaum in Luft auflösen dürften, haben viele Verbraucher nachhaltig ihre Konsumgewohnheiten geändert.

In einer Umfrage (Forsa für RTL/ntv) gaben zwei Drittel der 1.000 Befragten an, sie spürten die Inflation im Alltag sehr stark (25 Prozent) oder stark (40 Prozent). 63 Prozent wollen demnach aktuell weniger für Kraftstoffe ausgeben. Auch beim Heizen und beim Stromverbrauch ist die Mehrheit (56 Prozent) bemüht, zu sparen.

Karin Müller (81), Krombach/NRW:

"Alles, jedes einzelne Teil ist etwas teurer, ja. ... wir haben noch eine Ölfeuerung. Da sind wir auch am Drosseln, dass das auch spürbar ist."

Hanna Siebel, (35) Hochschulangestellte, Krombach/NRW:

"Ich fahre jeden Tag über eine Schnellstraße hier und die Leute fahren nicht mehr so schnell. Also ich finde man merkt das morgens im Verkehr, die fahren spritsparender, auf jeden Fall."

BALANCEAKT FÜR DIE EZB

Und was macht das mit der Wirtschaft?

Schon länger werfen Kritiker der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit ihrer Geldflut die Inflation anzuheizen. Mehrere Mitglieder des obersten Entscheidungsgremiums der Notenbank, des EZB-Rats, schlossen in jüngsten Äußerungen eine erste Zinserhöhung im Juli dieses Jahres nicht aus.

Allerdings ist der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik angesichts hoher Inflation und gleichzeitig gestiegener Konjunktur-Risiken ein Balanceakt, Stichwort Stagflation. Da sinkt dann das Wirtschaftswachstum, während Arbeitslosigkeit und Inflation steigen – eine solche Spirale gab es zuletzt in den 70er Jahren, im Zuge der Ölkrise.

Und der Wirtschaft schwant nichts Gutes. Soll heißen: Weitere Preisschübe aus der Lieferkette, während der Absatz wackelt.

Ulrich Biene, Brauerei Veltins, Grevenstein:

"Wir erleben seit 15 Monaten eine Kostenexplosion. Das war seit Jahrzehnten nicht da. Es gibt kaum einen Bereich, wo die Zulieferer nicht herkommen und Preisnachforderungen stellen oder Preisexplosionen für sich reklamieren."

"Das Damoklesschwert für die deutsche Brauwirtschaft heisst natürlich Gasembargo. Der Energieträger Gas ist für die Sudhäuser existenziell. Wenn wir eine Zwangsbewirtschaftung durch die Bundesregierung bekommen, würde es dazu führen dass es sicherlich erhebliche Produktionseinschränkungen gibt. Gerade während der saisonalen Spitzenmonate in den Sommermonaten führt das zu erheblichen Marktverwerfungen."

su mit AFP, AP, dpa

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