Tot und vergessen: Wird Moskau die Leichen russischer Soldaten zurückholen?

Das Gras wächst um die Leichen von Soldaten in Charkiw. Russland hat bisher keine Rückführung von gefallenen Soldaten in der Ukraine beantragt. 9. Mai 2022
Das Gras wächst um die Leichen von Soldaten in Charkiw. Russland hat bisher keine Rückführung von gefallenen Soldaten in der Ukraine beantragt. 9. Mai 2022 Copyright Felipe Dana/AP
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Von Alexandra Leistner mit AP
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Sie liegen auf Feldern, am Straßenrand oder in behelfsmäßigen Gräbern: Bisher hat Russland offenbar keine Anfrage gemacht, um die im Ukraine-Krieg getöteten russischen Soldaten in ihre Heimat zurückzubringen.

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****Vorsicht, die folgenden Bilder können verstörend wirken.****

Während die ukrainische Armee in der Region Charkiw weiter vorrückt und neue Dörfer befreit, tauchen immer mehr Leichen russischer Soldaten auf. Manche liegen in Feldern, wo um sie herum das Gras nachwächst, andere für alle sichtbar am Straßenrand und wieder andere wurden von Anwohner:innen begraben.

Auch mehr als 75 Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat Russland laut Angaben aus Kiew nicht vor, seine gefallenen Kämpfer zurückzuführen. Allein in Charkiw liegen in einem gekühlten Eisenbahnwaggon 40 Leichen russischer Soldaten. Wird Moskau ihre Überführung jemals beantragen? Ihre Identifizierung einleiten, damit ihre Familien und Freunde Gewissheit bekommen?

In einer Reportage für die Nachrichtenagentur Associated Press schreibt ein Journalist: "Die Außenbezirke von Charkiw wirken wie ein Leichenschauhaus unter freiem Himmel, in dem die Toten manchmal wochenlang unbeachtet und ohne Erklärung herumliegen".

Fotojournalist Felipe Dana hat Anfang Mai in Charkiw auch ein Bild gemacht von vier in einem Z drapierten Leichen offenbar russischer Soldaten. Das Symbol für die russische "Spezialoperation" ist unter anderem für die am Himmel schwebenden russischen Drohnen gut sichtbar.

Felipe Dana/AP
Die Leichen nicht identifizierter Männer, bei denen es sich vermutlich um russische Soldaten handelt, in der Nähe von Charkiw, 5. Mai 2022.Felipe Dana/AP

Ein anderes Bild zeigt die verkohlte Leiche eines Menschen fast wie gekreuzigt auf einer Panzersperre mitten auf der Straße eines Dorfes, das zuvor von beiden Seiten kontrolliert wurde.

"Wie es genau zu diesen Todesfällen kam, wird man wohl nie herausfinden", schreibt Dana. Sowohl die verbrannte Leiche als auch die auf der Straße im Z liegenden Toten seien schließlich in eine Leichenhalle gebracht worden. Was ihnen angetan wurde, gilt als Kriegsverbrechen.

Die Verstümmelung von Leichen in internationalen Konflikten gilt nach Angaben des Roten Kreuzes als "Verletzung der persönlichen Würde", laut Internationalen Strafgerichtshofs, das nach den Tatbestandsmerkmalen auch für Tote gilt.

Schon seit Beginn der russischen Invasion wird vermutet, dass Russland die Opferzahlen auf eigener Seite verschweigt. Berichte über Opfer auf russischer Seite gibt es offiziell kaum, die Bevölkerung in Russland hat keinen Zugriff auf westliche Medien und soziale Medien wie Facebook, Instagram und Twitter sind blockiert.

"Die russischen Menschen, die hier sterben, niemand zählt sie, Menschen, die in diesem Krieg sterben. Wussten Sie, dass sie eine Einäscherungskammer mitgebracht haben? Sie werden die Leichen den Familien nicht zeigen. Sie werden den Müttern nicht sagen, dass ihre Kinder hier gestorben sind", sagte kurz nach Beginn des Krieges der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

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Die verkohlte Leiche eines Kämpfers auf einer Panzersperre bei Charkiw, 5. Mai 2022.Felipe Dana/AP

"Um der 'siegreichen' Propaganda willen sind sie bereit, den Müttern sogar die Möglichkeit zu nehmen, die Leichen zu begraben", sagte der Chef der ukrainischen Eisenbahn, Oleksandr Kamyshin bei Telegram Ende März.

Die Vermutung geht sogar so weit, dass Moskau seine Opferzahlen mit Hilfe mobiler Krematorien manipulieren könnte. Entsprechende Informationen hatte unter anderem das britische Verteidigungsministerium, sowie die Regierung in Kiew.

Russische Mütter schlagen Alarm

Mitte März hatten Mütter von russischen Soldaten des "Komitee der Soldatenmütter Russlands" nach mehr Informationen zu Kriegsgefangenen in der Ukraine gebeten.

Die Stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung, Antonina Aksenowa, sagte gegenüber Euronews, dass weder Militär noch Politik oder Friedensorganisationen Informationen zu Verwundeten oder zu in Gefangenschaft geratenen Soldaten herausgebe.

Sie erinnerte an den Tschetschenienkrieg, deren Opfer auf russischer Seite teilweise erst 10 Jahre später per DNA-Analyse identifiziert wurden. "Und ich will wirklich nicht, dass es jetzt genauso sein wird, dass die Mütter in den Schützengräben herumkriechen und ihre Söhne suchen, das will ich wirklich nicht!".

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Die Leichen von 11 russischen Soldaten im Dorf Wilchiwka bei Charkiw werden auf Sprengstoff geprüft. 9. Mai 2022Felipe Dana/AP
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Ein ukrainischer Soldat steht neben dem Körper eines vermutlich russischen Soldaten im Dorf Wilchiwka bei Charkiw, 9. Mai 2022.Felipe Dana/AP
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Rettungskräfte bergen Leichen russischer Soldaten im Dorf Wilchiwka nahe Charkiw (Ukraine), 9. Mai 2022Felipe Dana/AP
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