Tumult bei Champions-League-Finale: Uefa leitet externe Untersuchung ein

Sportministerin Amélie Oudéa-Castera und Innenminister Gérald Darmanin
Sportministerin Amélie Oudéa-Castera und Innenminister Gérald Darmanin Copyright Jean-Francois Badias/ Associated Press
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Wer hat Schuld am Chaos am Stadion in Paris?

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Nach den Ausschreitungen beim Champions-League-Finale am Samstag in Paris hat die Uefa eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle angekündigt. Wie der europäische Fußballverband am Montagabend mitteilte, gab er bei einem Team unter Leitung des ehemaligen portugiesischen Sportministers Tiago Brandão Rodrigues einen Bericht in Auftrag. Um die Unabhängigkeit zu wahren, werde Brandão Rodrigues die Aufgabe unentgeltlich wahrnehmen. Der Bericht soll auch veröffentlicht werden. Anschließend würden die nächsten Schritte bewertet, so die UEFA.

Kurz vor dem Anpfiff des Fußballspiels zwischen dem englischen FC Liverpool und den Spaniern von Real Madrid war der Einlass der Fans noch nicht beendet. Tausende warteten noch vor den Eingängen des Stadions. Es kam zu Tumulten. Einige versuchten, über die Barrikaden zu klettern. Die Polizei schritt und setzte Tränengas ein. 105 Menschen wurden zwischenzeitig verhaftet. Es gab 230 Verletzte.

Die Diskussion um die Schuld an dem Debakel ist in vollem Gang. Am Montag legten der französische Innenminister Gérald Darmanin und Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra ihre Sicht der Dinge dar. Darmanin zufolge hatten 30.000 bis 40.000 Fans des FC Liverpool gar keine Eintrittskarte oder ungültige Tickets. Er sprach von einem "massiven, industriellen Betrug". Mehr als 70 Prozent der Tickets, die vorgewiesen wurden, seien gefälscht gewesen.

Innenminister: Polizei hat Tote verhindert

Oudéa-Castéra hatte dem FC Liverpool bereits zuvor in französischen Medien vorgeworfen, sich anders als Real Madrid nicht gut um die Begleitung seiner Fans gekümmert zu haben. Laut Darmanin waren zum geplanten Anpfiff um 21 Uhr 97 Prozent der spanischen Fans mit einem gültigen Ticket im Stadion, im Gegensatz zu nur 50 Prozent der englischen Fans. Das Spiel war wegen der Probleme am Einlass eine halbe Stunde später gestartet. Darmanin sagte zudem, dass es ohne das Eingreifen der Polizei Tote gegeben hätte. Der Pariser Polizeipräfekt leitete eine gerichtliche Untersuchung wegen massiver Fälschung von Eintrittskarten ein. 

Laut der Polizei von Liverpool, die in Paris ebenfalls im Einsatz war, verhielt sich die "überwiegende Mehrheit" der englischen Fans "vorbildlich". Ein Sprecher der britischen Regierung sagte, man sei "extrem enttäuscht" über den Umgang mit den englischen Fans. 

Auch die Bürgermeisterin von Liverpool, Joanne Anderson, die selbst im Stade de France war, zeigte sich empört. Die französische Polizei sei "wirklich brutal" vorgegangen, sagte sie der BBC. Zudem sei die Organisation des Fußballspiels "chaotisch" gewesen. Die Liverpool-Anhänger müssten eine Entschuldigung erhalten. "Unsere Fans wurden in Bezug auf ihr Verhalten stereotypisiert. Ich werde immer wütender, je mehr Geschichten ich höre», so Anderson. "Fans müssen mit mehr Respekt behandelt werden." Zuvor hatte sie bereits angekündigt, sie werde bei der britischen Außenministerin Liz Truss Antworten der Uefa und beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine Untersuchung der Vorfälle einfordern. "Es ist eine Schande, den Fans die Schuld zu geben", twitterte Anderson.

Sportministerin: Müssen uns verbessern

Die französische Sportministerin Oudéa-Castéra versammelte am heutigen Montag alle beteiligten Akteure, um die Ereignisse aufzuarbeiten: den europäischen Fußballverband Uefa, den französischen Fußballverband, Vertreter des Stadions sowie der Polizei und des Pariser Vororts Saint-Denis, wo sich das Stade de France befindet. Man bedauere, dass Fans, die eine gültige Eintrittskarte hatten, nicht ins Stadion kamen, schrieb sie in einer Mitteilung am Sonntag. Sie habe die Uefa aufgefordert, die Ticketbesitzer:innen zu entschädigen. Das Wichtigste sei jetzt, herauszufinden, was schief gelaufen ist, um künftige Probleme bei großen Sportveranstaltungen zu vermeiden. Die Ministerin bedauerte den Einsatz von Tränengas, von dem auch unbeteiligte Fans, Familien und Kinder betroffen waren.

Oudéa-Castéra räumte ein, Frankreich müsse sich bei der Austragung von "Risikospielen" wie dem Champions-League-Finale verbessern, vor allem bei der Steuerung der Menschenmassen. Zudem müssten Ticketvergabe und -kontrolle systematisch elektronisch erfolgen, um Fälschungen zu vermeiden.

Sie bekräftigte, dass Frankreich in der Lage sei, große Sportereignisse zu organisieren und verwies etwa auf die Fußball-Europameisterschaft 2016. Frankreich will 2023 die Rugby-Weltmeisterschaft 2023 und 2024 die Olympischen Spiele austragen. Das Land übernahm die Organisation des Champions-League-Finales kurzfristig. Ursprünglich sollte es in Sankt Petersburg stattfinden. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukaine hatte die Uefa das Finale verlegt.

Auch die Uefa erklärte das Chaos beim Einlass durch das hohe Aufkommen von Fans ohne gültige Tickets. Fanvertreter kritisieren eine einseitige Darstellung des Fußballverbandes.

15 Menschen befinden sich immer noch in Untersuchungshaft. Darmanin und Oudéa-Castéra sollen vom französischen Senat zu den Vorfällen befragt werden.

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