Merkel im Interview: "Der Angriff ist von Russlands Seite ein großer Fehler"

Angela Merkel, Bundeskanzlerin a.D. im Gespräche mit Spiegel-Reporter Alexander Osang, 07.06.2022
Angela Merkel, Bundeskanzlerin a.D. im Gespräche mit Spiegel-Reporter Alexander Osang, 07.06.2022 Copyright Fabian Sommer/dpa via AP
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Von Euronews mit dpa
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Erstmals seit ihrem Aussscheiden aus dem Amt hat die Bundeskanzlerin a.D. ein großes Interview gegeben. Für ihre Russland-Politik entschuldigte sie sich nicht.

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Die frühere deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat den Russland-Kurs ihrer Regierung verteidigt. Eine Entschuldigung dafür lehnte sie in ihrem ersten großen Interview seit Ende ihrer Amtszeit ab. Im Hinblick auf den russischen Einmarsch in die Ukraine sagte Merkel:

"Das ist ein brutaler, das Völkerrecht missachtender Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt. Der Angriff ist von Russlands Seite ein großer Fehler."

"Kalter Krieg" war niemals ganz zu Ende

Merkel bedauerte, dass es nicht gelungen sei, eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die den Krieg verhindert hätte. Der "Kalte Krieg" habe nie ganz überwunden werden können. Mehrfach habe der russische Präsident Wladimir Putin ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass der Zerfall der Sowjetunion für ihn die "schlimmste Sache des 20. Jahrhunderts" gewesen sei. Bei der Kanzlerin sei das Gegenteil der Fall gewesen. Schon damals war offensichtlich, dass es in dieser Hinsicht einen "großen Dissens" gäbe.

"Und Diplomatie ist ja nicht, wenn sie nicht gelingt, deshalb falsch gewesen. Also es ist ja nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: das war falsch und werde deshalb mich auch nicht entschuldigen. Ich bin im Rückblick, wenn alles summiere, eigentlich froh, dass ich mir nicht vorwerfen muss, ich hab es zu wenig versucht, ein solches Ereignis, wie es jetzt stattgefunden hat, zu verhindern. Sondern ich habe es glücklicherweise ausreichend versucht, mit dem jeweiligen französischen Präsidenten zusammen und das gibt mir jedenfalls eine gewisse Beruhigung."

Nicht "blauäugig" gewesen im Umgang mit Russland

Allerdings räumte Merkel ein, dass man nach der russischen Annexion der Krim 2014 hätte härter reagieren können. Allerdings habe man damals Russland aus der Gruppe führender Industrienationen (G8) ausgeschlossen. Auch der Beschluss der Nato, dass jedes Land zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben soll, sei damals gefasst worden. Im Umgang mit Russland sei sie nicht "blauäugig" gewesen. 

Auch dass sie sich 2008 gegen eine Nato-Osterweiterung um die Ukraine und Georgien gewandt habe, verteidigte Merkel. Hätte die Nato den beiden Ländern damals eine Beitrittsperspektive gegeben, hätte Putin schon damals einen "Riesenschaden in der Ukraine anrichten können", sagte sie.

Es ist das erste Mal, dass Merkel sich seit der Übergabe der Amtsgeschäfte vor einem halben Jahr den Fragen eines Journalisten stellte. Bei der rund 100-minütigen Veranstaltung, die vom Aufbau-Verlag und dem Berliner Ensemble organisiert wurde, sprach Merkel mit Spiegel-Reporter und Autor Alexander Osang, der sie schon mehrfach poträtiert hatte.

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