Gericht stuft "Like" in Social Media als "Diskreditierung der russischen Armee" ein

Ein Ausschnitt aus dem Gerichtsurteil gegen Argunov: Der Lehrer an einer Medizinhochschule wurde für seine Reaktion in sozialen Netzwerken verurteilt.
Ein Ausschnitt aus dem Gerichtsurteil gegen Argunov: Der Lehrer an einer Medizinhochschule wurde für seine Reaktion in sozialen Netzwerken verurteilt. Copyright Euronews
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Von Mihhail Salenkov
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Aleksey Argunov wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er unter anderem mit einem Emoji auf ein Video reagiert hat, in dem Arnold Schwarzenegger von Putin ein Ende des Krieges in der Ukraine fordert.

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In Russland ist ein Mann für Reaktionen auf Social-Media-Posts zum Krieg in der Ukraine zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Alexei Argunov, der als Lehrer in Bernaul medizinisches Personal ausbildet, hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, wie er im Gespräch mit Euronews sagte. 

Argunov war vorgeworfen worden, mehrere Smiley-Gesichter (Emojis) und "Likes" unter Posts anderer Nutzer:innen in sozialen Netzwerken hinterlassen zu haben. In den Beiträgen ging es um den Krieg in der Ukraine, der in Russland "Sonderoperation" genannt werden muss.

In der Entscheidung des Gerichts heißt es, Argunov habe "eine öffentliche Aktion durchgeführt, die darauf abzielte, den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation zu diskreditieren... einschließlich des öffentlichen Aufrufs, den Einsatz der Streitkräfte der RF zu behindern ... Er hat durch sein Verhalten die Glaubwürdigkeit der militärischen Sonderoperation untergraben".

Einer der Fälle, die Argunov zum Verhängnis wurde, war eine Reaktion auf ein Video des Schauspielers und Politikers Arnold Schwarzenegger, in der dieser von Putin ein Ende der Invasion fordert: Der Angeklagte hatte hier mit einem "Like" reagiert.

Alexei Argunov
Alexei Argunov im Jahr 2012: Er soll wegen Reaktionen in sozialen Netzwerken, durch die die russische Armee laut Gericht diskreditiert wurde, eine Geldstrafe zahlen.Alexei Argunov

Gegenüber Euronews sagte Argunov, alles sei schnell gegangen: "Am 6. Juli hat mich die Polizei zu einem Gespräch eingeladen, am 15. Juli hat das Leninsky Bezirksgericht Barnaul ein Urteil gefällt."

Auf der Polizeistation sagte man ihm, dass der Inlandsgeheimdienst FSB Informationen habe, wonach Argunov "Likes an den falschen Stellen hinterlassen" habe. Man bat ihn, um eine schriftliche Erklärung. Daraufhin sagte ihm dann der Inspektor für Verwaltungsangelegenheiten, er habe "Pech" und sein Fall gehe vor Gericht. Dort verurteilte man ihn zu einer Geldstrafe über 30.000 Rubel (rund 500 Euro).

Daumen hoch... oder runter?

Das Gericht führte drei Fälle an, in denen Argunov auf Posts in sozialen Netzwerken mit einer Hand mit Daumen nach oben reagiert hatte: Ein Post war eine Karikatur, in der Putin eine Atombombe umarmt, in einem anderen versucht ein Schriftsteller über die Vorgänge in der Ukraine zu berichten ohne das Wort "Krieg" zu verwenden, und ein dritter Post, auf den der Angeklagte mit "gefällt mir" reagierte, war der Kommentar einer Frau, die sagte, dass sie mit Menschen, die die militärische Sonderoperation unterstützen, nicht befreundet sein kann.

Dieser Paragraph im Gesetz ist absolut unverständlich und offensichtlich existiert er, um Leute von der Kritik der Spezialoperation abzuhalten.

Auf Nachfrage von Euronews bestätigte Argunov, dass auch viele andere Nutzer:innen die besagten Beiträge in Social Media kommentiert oder darauf mit Emojis (erschreckten, lachenden oder weinenden Smileys) reagiert hatten.

Warum dann gerade Argunov? "Ich vermute, dass es irgendwo im Archiv des FSB ein Dossier über mich gab, und als diese ganze Geschichte begann, beschlossen sie, dieses Dossier hochzuholen, um zu sehen, wer was tut. Sie fanden meine "Likes" und beschlossen, mich auf diese Weise zu bestrafen."

Mehr als 3.300 Menschen wegen "Diskreditierung" angeklagt

Vor einiger Zeit nahm der Lehrer an einer Unterschriftenaktion gegen Rosobrnadzor teil. Das ist die Russische Aufsichtsbehörde für Bildung und Wissenschaft, "die keiner leiden kann", so Argnunov. Er habe sich an Studierende gewandt mit der Bitte, die Petition zu unterschreiben.

"Danach kam ein Brief des FSB, in dem es hieß, dass es an der Hochschule einen Saboteur gebe, der die staatliche Kontrolle untergraben wolle."

Dass ihm jetzt vorgeworfen wird, die Streitkräfte "beleidigt" oder "diskreditiert" zu haben, versteht er nicht. "Wie soll ich das gemacht haben? Was soll das überhaupt heißen? Dieser Paragraph im Gesetz ist absolut unverständlich und offensichtlich existiert er, um Leute von Kritik an der Spezialoperation abzuschrecken".

Die Invasion der Ukraine bereite ihm große Sorgen, so Argunov. "Das hätte meiner Meinung nach nicht passieren dürfen".

Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten hat die russische Polizei vom 5. März bis zum 14. Juli 3.303 Berichte über die Diskreditierung der Armee erstellt. Im Durchschnitt erstellen Polizeibeamte täglich 35 Protokolle über die Diskreditierung der russischen Streitkräfte.

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