Frauen ohne Hidschab gegen Männer mit Waffen: Heftige Proteste erschüttern Iran

Unterstützer der iranischen Regierung gehen nach dem Freitagsgebet auf die Straßen Teherans. Eine Reaktion auf regierungskritische Proteste, die seit dem Wochenende anhalten.
Unterstützer der iranischen Regierung gehen nach dem Freitagsgebet auf die Straßen Teherans. Eine Reaktion auf regierungskritische Proteste, die seit dem Wochenende anhalten. Copyright Vahid Salemi/AP
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Von Julika Herzog mit dpa, AP, AFP
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Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, der eine Protestwelle im ganzen Land ausgelöst hat, hat Irans Präsident Ebrahim Raisi eine Untersuchung angekündigt. Seine erzkonservative Regierung ist seit dem Tod der jungen Frau im Polizeigewahrsam in Erklärungsnot.

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Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, der eine Protestwelle im ganzen Land ausgelöst hat, hat Irans Präsident Ebrahim Raisi eine Untersuchung angekündigt. Seine erzkonservative Regierung ist seit dem Tod der jungen Frau im Polizeigewahrsam in Erklärungsnot.

Musste Mahsa Amini wegen eines schlecht sitzenden Kopftuchs sterben?

Kaum jemand glaubt der offiziellen Darstellung, Mahsa Amini sei wegen Herzversagen zusammengebrochen. Viele glauben die junge Frau sei von der Sittenpolizei misshandelt worden, nachdem sie vergangene Woche wegen ihres «unislamischen Kleidungsstils» festgenommen worden war. Längst ist ihr Fall zu einem Symbol für die Unzufriedenheit vieler Iraner geworden.

Tausende Demonstranten gehen seit fast einer Woche landesweit auf die Straße, es sind die schwersten Proteste seit 2019. Mindestens 17 Menschen wurden nach Angaben der Staatsmedien bislang getötet.

Die Proteste haben sich in den vergangenen vier Tagen zu einer offenen Herausforderung für die iranische Führung entwickelt. Frauen legten auf den Straßen ihre Kopftücher, die sie tragen müssen, ab. Wütende Demonstranten zündeten Mülltonnen an und forderten, das bestehende System zu stürzen.

Internet eingeschränkt, soziale Netzwerke gesperrt

Während nahezu alle sozialen Netzwerke gesperrt und das mobile Internet abgeschaltet sind, fürchten viele ein hartes Einschreiten der Sicherheitskräfte. Mindestens 17 Menschen wurden nach Angaben der Staatsmedien bislang getötet. Wie viele es wirklich sind, lässt sich kaum überprüfen.

Das Internet ist massiv eingeschränkt und insbesondere mobile Netzwerke sind weitgehend abgeschaltet. Auch Instagram als eines der letzten freien sozialen Netzwerke wurde gesperrt. Einige reichweitenstarke iranische Nachrichtenportale, die über die Proteste berichtet hatten, waren im Ausland nicht mehr erreichbar.

Auf den Webseiten der staatlichen Medien wurden die Demonstrationen wenig thematisiert. Die Regierung ihrerseits rief zu Gegendemonstrationen nach dem Freitagsgebet auf.

Journalistin und Aktivist im Iran festgenommen

Eine Journalistin und ein Aktivist sind festgenommen worden. Bei der Journalistin handelt es sich um Nilufar Hamedi von der Reformzeitung "Shargh", wie das iranische Onlineportal Emtedad am Donnerstag unter Berufung auf ihren Anwalt berichtete.

Außerdem sei der Autor und Aktivist Hamidresa Dschalaipur vom Geheimdienst aufgegriffen worden. Er befinde sich im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der Hauptstadt Teheran.

Irans Präsident kommt wegen fehlendem Kopftuch nicht zu CNN-Interview

Christiane Amanpour, langjährige Korrespondentin des US-Senders CNN berichtete, dass sie ein Interview mit Irans Präsidenten Ebrahim Raisi am Rande der UN-Vollversammlung in New York geplant hatte. Raisi sei aber nicht zum vereinbarten Termin erschienen, weil eine sie kein Kopftuch tragen wollte.

"Nach wochenlanger Planung und acht Stunden Aufbau von Übersetzungsgeräten, Licht und Kameras waren wir bereit. Aber keine Spur von Präsident Raisi", schrieb die Journalistin Christiane Amanpour am Donnerstag auf Twitter. Stattdessen sei ein Mitarbeiter Raisis 40 Minuten später gekommen und habe gesagt, der Präsident schlage vor, dass sie (Amanpour) ein Kopftuch trage. Sie habe dies abgelehnt, twitterte Amanpour.

"40 Minuten nach dem geplanten Beginn des Gesprächs kam ein Berater zu mir. Der Präsident, sagte er, schlug vor, dass ich ein Kopftuch trage", schrieb Amanpour weiter. "Ich habe höflich abgelehnt. Wir sind in New York, wo es keine Gesetze oder Traditionen in Bezug auf Kopftücher gibt. Ich wies darauf hin, dass kein früherer iranischer Präsident dies verlangt hat, wenn ich ihn außerhalb des Irans interviewt habe."

Der Mitarbeiter Raisis habe erklärt, das Kopftuch sei eine Frage des Respekts und habe auf die Lage im Iran hingewiesen.

Auf Twitter beschrieb eine iranische Journalistin die Lage: "Die wahren Nachrichten aus dem Iran sind nicht der Atomdeal oder die Rede von Ebrahim Raisi vor der UNO. 

Iranische Frauen, die ihren Hidschab ablegen, sich gegen Männer mit Pistolen und Kugeln stellen, die für die Islamische Republik skandieren.

Das Regime hat das Internet in einigen Städten gekappt. Seid die Stimme der Stimmlosen."

Irans Präsident Raisi wirft Westen Doppelmoral vor

Präsident Raisi ist erstmals seit Beginn seiner Amtszeit in die USA gereist. Dort sprach er am Mittwoch vor der UN-Vollversammlung.

Dort warf er dem Westen Doppelmoral bei Menschenrechten vor: "Solche Vorfälle gibt es auf der ganzen Welt und es muss derselbe Standard auf sie angewendet werden. Warum fordern Sie nur Ermittlungen zu diesem Thema? Warum nicht genau dasselbe für diejenigen fordern, die durch die Hände der Strafverfolgungsb ehörden und anderer Agenten im ganzen Westen, in Europa, Nordamerika, den Vereinigten Staaten von Amerika ihr Leben verlieren? Diejenigen, die dort ungerechtfertigt geschlagen werden, warum folgen darauf keine Ermittlungen?", sagte Raisi auf einer Pressekonferenz am Rande der UN-Vollversammlung in New York.

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