Kampf für Toleranz und Lebensfreude: EuroPride erstmals auf dem Balkan

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Von Valérie GauriatSabine Sans
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Im Vorfeld der EuroPride hatte es Streitigkeiten mit den serbischen Behörden gegeben. Die Polizei sicherte einen Korridor entlang der verkürzten Marschroute und hielt Rechtspopulisten und ultra-klerikale Gegendemonstranten auf Abstand. Witness-Reporterin Valérie Gauriat war vor Ort.

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Es war eine Premiere auf dem Balkan und in Südosteuropa: In Belgrad haben am17. September rund 1000 Menschen für die Rechte von Schwulen, Lesben und anderen Angehörigen der LGBT-Gemeinschaft demonstriert. Die Polizei sicherte die EuroPride ab, es gab Zusammenstöße mit Gegendemonstranten. Im Vorfeld hatte es Streitigkeiten mit den serbischen Behörden gegeben. Die Polizei sicherte einen Korridor entlang der verkürzten Marschroute und hielt auf diese Weise Rechtspopulisten und ultra-klerikale Gegendemonstranten auf Abstand. Witness-Reporterin Valérie Gauriat war vor Ort.

Eine "antichristliche und familienfeindliche Demonstration"

Am 11. September marschierten Tausende Menschen durch die Straßen von Belgrad, nachdem die orthodoxe Kirche dazu aufgerufen hatte. Mit russischen Ikonen und Flaggen protestierten sie dagegen, dass in der serbischen Hauptstadt die EuroPride stattfand, ein jährliches europäisches Treffen der LGBTQIA+ Gemeinschaft, das zum ersten Mal auf dem Balkan und in Südosteuropa stattfand.

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Anti-Pride-Proteste in Belgradeuronews

In der Anti-Pride-Parade beurteilte der Vorsitzende der ultrakonservativen Dveri-Partei, Boško Obradović, die Veranstaltung folgendermaßen: "Diese Veranstaltung ist antichristlich und familienfeindlich. Wir sind der Meinung, dass sie unseren traditionellen Familienwerten völlig zuwiderläuft und die öffentliche Moral beleidigt", sagte er.

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Der Vorsitzende der ultrakonservativen Dveri-Partei, Boško Obradovićeuronews

Am nächsten Tag begann eine Woche mit Konferenzen und kulturellen Veranstaltungen, die mit einer Pride-Parade in den Straßen von Belgrad enden sollte. Die Ankündigung der Regierung, die Parade aus Sicherheitsgründen zu verbieten, löste bei den Teilnehmern Wut aus.

"Wir kämpfen wieder einmal für die Freiheit."
Goran Miletić
Koordinator für die Europride in Belgrad
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Goran Miletić, Koordinator für die Europride in Belgradeuronews

Bei der ersten Konferenz der EuroPride versuchte die offen lesbische serbische Ministerpräsidentin Ana Brnabić, die Entscheidung der Behörden zu verteidigen. "Ich tue mein Bestes, ich erhöhe die Sichtbarkeit", versicherte sie und fügte hinzu: "Ich habe mir selbst keine anderen Rechte eingeräumt als die, die ihr alle habt, und das sind nicht viele Rechte, das gebe ich zu."

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Die offen lesbische Ministerpräsidentin Serbienseuronews

Die Botschaft kommt nicht an. Die Organisatoren prangern das Verbot des Pride March als Verstoß gegen das Demonstrationsrecht an. "Wenn jeder andere mit ausreichendem Schutz durch die Polizei demonstrieren kann und wir die einzige soziale Gruppe sind, die nicht demonstrieren darf, dann ist das Diskriminierung", warnte Goran Miletić, Koordinator der EuroPride Belgrad. "Man hat die Lehren aus der Vergangenheit, der jüngsten Vergangenheit, nicht gelernt", merkte er an und erklärte: "2009, 2011, 2012, 2013 wurden Pride-Paraden verboten. Wir erleben gerade das Gleiche und kämpfen wieder für die Freiheit, wieder einmal", kritisierte er.

"Wer sind die, die uns bedrohen, warum werden sie nicht verboten? Warum werden wir verboten? Unser Marsch ist friedlich: Es ist ein Kampf für Demokratie, Freiheit, Glück, Liebe!" versicherte der Direktor der EuroPride Marko Mihailović Belgrad. "Das ist ein weiterer Abbau der Rechtsstaatlichkeit, unserer Menschenrechte und unserer verfassungsmäßigen Rechte, genau deshalb müssen wir am Samstag, dem 17. September, auf die Straße gehen", kündigte er an.

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Direktor der EuroPride Marko Mihailovićeuronews

"Sehr hohe Selbstmordrate unter LGBT-Teenagern"

An allen Standorten der EuroPride ist die Polizei präsent. Ob Parade oder nicht, die jungen LGBTQIA+-Aktivisten sind entschlossener denn je, ihre Rechte einzufordern, und bereiten sich im Stillen vor.

Im Informationszentrum der EuroPride trotzen die jungen Freiwilligen, die für die Veranstaltung mobilisiert wurden, dem Verbot und wechseln sich bei der Herstellung von Bannern ab. Sie wollen auf keinen Fall auf die Parade verzichten.

Viele ausländische Aktivisten sind gekommen, um ihre Unterstützung zu zeigen, wie Annie Papazoglou, eine griechische LGBTQIA+ Aktivistin. "Menschenrechte sind nie selbstverständlich und das hat man auch in anderen Bereichen wie den reproduktiven Rechten oder den Flüchtlings- und Einwanderungsrechten gesehen", meint sie. "Wir haben viele Dinge gesehen, die sich erst vorwärts und dann wieder rückwärts bewegt haben", bedauert sie.

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Annie Papazoglou, eine griechische LGBTQIA+ Aktivistineuronews

Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage würde eine Mehrheit der Serben eine weniger restriktive Gesetzgebung gegenüber Mitgliedern der LGBTQIA+ Gemeinschaft befürworten, doch das Stigma ist nach wie vor sehr stark.

Wir besuchen die Räumlichkeiten einer Bürgerrechtsorganisation, wo eine Ausstellung von Fotos von LGBTQIA+ Paaren stattfindet, die unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfindet.

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Nicht nur auf Fotos werden Toleranz und Lebensfreude gezeigteuronews

In Serbien ist die soziale Ablehnung immer noch groß, wie uns Maja Žilić, Mitglied der Youth Initiative for Human Rights Serbia, erklärt. "Wir haben eine sehr hohe Selbstmordrate unter LGBT-Teenagern, besonders wenn sie aus kleinen Orten außerhalb von Belgrad kommen", berichtet sie. "Die Menschen sind immer noch sehr homophob und diese Jugendlichen können sich nicht so ausdrücken, wie sie es gerne möchten; deshalb kommen sie nach Belgrad, um zu studieren, zu arbeiten", sagt sie und fügt hinzu: "Deshalb bin auch ich nach Belgrad gekommen."

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Maja Žilić, Mitglied der Youth Initiative for Human Rights Serbiaeuronews

"Diese Leute sind krank!"

Maja und ihr Team organisierten eine öffentliche Aufklärungsveranstaltung im Stadtzentrum. Die Freiwillige Dejana Dexy Stošić spricht eine Passantin an. "Wir sind hier, um zu sagen, dass Demokratie bedeutet, dass jeder das Recht hat zu protestieren, und einige hier haben kein Recht zu protestieren", sagt sie.

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Die Freiwillige Dejana Dexy Stošić (li.) spricht eine Passantin aneuronews

"Wenn diese Leute krank sind, kann ich sie wirklich nicht unterstützen, sie tun mir leid!", erwidert ihre Gesprächspartnerin, bevor sie weitergeht.

"Sie hat gerade gesagt, dass Homosexuelle psychische Krankheiten haben!", empört sich die junge Dejana. "Man bekommt sehr heftige Reaktionen, aber ich muss sagen, dass wir auch sehr gute Meinungen hören."

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