Mykolajiw: Der Alltag einer Stadt an der Front

Mykolajiw hat seit Ausbruch des Krieges nur weniger ruhige Tage erlebt. Hier wurden 12,000 Gebäude zerstört.
Mykolajiw hat seit Ausbruch des Krieges nur weniger ruhige Tage erlebt. Hier wurden 12,000 Gebäude zerstört. Copyright Natalia Liubchenkova/Euronews
Copyright Natalia Liubchenkova/Euronews
Von Natalia LiubchenkovaEuronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Mykolajiw - eine Stadt an der ukrainischen Südfront, die seit dem Ausbruch des Krieges regelmäßig bombardiert wird. Was bedeutet das für die Menschen und den Alltag in der Stadt?

WERBUNG

Mykolajiw – vor dem Krieg lebten hier eine halbe Million Menschen. Heute ist Mykolajiw eine Stadt an der ukrainischen Südfront. Während der fast acht Monate andauernden russischen Aggression in der Ukraine hat Mykolajiw nur wenige ruhige Tage ohne Beschuss oder Zerstörung erlebt. Was bedeutet das für die Menschen hier?

Die Anwohner sagen, sie fühlen sich nirgendwo sicher in der Stadt. Mehr als 12.000 Gebäude in der gesamten Region Mykolajiw sind beschädigt oder zerstört worden. Mykolajiw selbst wurde regelmäßig mit Streubomben beschossen, die für die Zivilbevölkerung sehr gefährlich sind. Raketen mit geringer Präzision fielen auf Wohngebäude herab und hinterließen immense Schäden.

Der Luftalarm wird regelmäßig ausgelöst, und er erwischt die Leute überall, wo sie gerade sind. In der Straßenbahn, im Supermarkt, oder im Freien. Und in der Regel kann man sich nirgendwo verstecken.

Kein Trinkwasser

Mikolajiw hat zurzeit kein Trinkwasser, denn es kommt aus Cherson, einer Stadt, die jetzt von Russland besetzt ist. Was aus dem Hahn herauskommt, kann man nicht trinken, es schmeckt wie Meerwasser. Das Wasserversorgungsnetz wird ständig repariert. Denn oft wird es durch Raketenbeschuss oder salzhaltiges Wasser beschädigt. Jetzt, wo der Winter und die Heizperiode näher rücken, scheint sich die Lage noch zu verschlimmern. Die Menschen müssen das Wasser an Verteilungsstellen in Flaschen abfüllen und nach Hause tragen.

Viele engagieren sich freiwillig und ehrenamtlich, sie unterstützen die Armee, helfen Familien in Not, packen mit an bei der Räumung von gefährlichen Orten. Oder sie mobilisieren Menschen für Blutspenden. All das ist hier wie überall in der Ukraine weit verbreitet.

Solidarität unter den StadtbewohnerInnen

“Eines habe ich verstanden: Das größte Kapital im Krieg ist, dass die Menschen sich zusammenschließen, sich gegenseitig helfen und zusammen kämpfen können“, sagt Natalia, eine Universitätsprofessorin aus Mykolajiw. „Wenn wir Explosionen hören, fühlen sich die Menschen natürlich sehr schlecht, weil es vielleicht die Nachbarn, die eigene Wohnung, den Arbeitsplatz oder die Schule der Kinder betrifft, aber die Menschen versuchen zu lernen, damit zu leben, weil sie hoffen, dass eines Tages der Sieg kommt und wir unsere Stadt wieder aufbauen können.“

Durch den Krieg mussten viele Unternehmen schließen, viele Menschen wurden arbeitslos. Um ihre Familien ernähren zu können, müssen Einige einer ganz anderen Arbeit nachgehen.

Wolodymyr, ein 43-jähriger Taxifahrer, hat früher in der Gastronomie gearbeitet. Er besaß ein kleines Restaurant. „Doch Dann kam die Corona-Pandemie, dann der Krieg. Jetzt muss ich mich zum Taxifahrer umschulen lassen.“ Eigentlich mag er diese Arbeit, sagt Wolodymyr. „Wenn die Leute nett sind. Wir reden, ich lerne viel Neues dabei.“

Nachts liegt die Stadt im Dunkeln

Viele Menschen, vor allem Frauen und Kinder, haben die Stadt bereits verlassen. Die Straßen wirken wie ausgestorben. Wenn ein Restaurant oder ein anderes Geschäft geöffnet ist, steht das in großen Buchstaben auf einem Pappschild, damit man es sieht. Nach 19 Uhr wird es schwierig, in der Stadt unterwegs zu sein.

Nach Sonnenuntergang ist es in Mykolajiw ziemlich dunkel. In einigen Straßen können Anfang Oktober die Straßenlaternen angehen, aber ansonsten ist es recht dunkel. Man kann die Silhouetten von Menschen erkennen, die in der Dunkelheit mit ihren Hunden spazieren gehen oder nach Hause kommen, manchmal mit Taschenlampen. Das ist eine Sicherheitsmaßnahme für diese Stadt, die regelmäßig unter Beschuss steht.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

"Belohnung für harte Arbeit": Erleichterung nach Nobelpreisvergabe

Selenskyj: "Die Mobilisierung ist eine Suche nach neuem Kanonenfutter"

Ukraine schießt russisches A-50 Frühwarnflugzeug ab